Die Geschichte der Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
Die St.-Aegidien-Kirche wird erstmals 1227 im ältesten Oberstadtbuch der Stadt Lübeck erwähnt. Sie war eine Filiale des Doms und diente den Bewohnern dieses Bezirks, die ihren Lebensunterhalt vor allem als Handwerker und Ackerbürger verdienten, als Pfarrkirche. Die enge Bindung von St. Aegidien zum Dom wird auch am Patrozinium ersichtlich, denn St. Aegidius war auch der Patron des Braunschweiger Benediktinerklosters, aus dem viele Domherren und Bischöfe im 12. und 13. Jahrhundert nach Lübeck kamen.
Vorgängerbau und Entstehung
Bei der 1227 erwähnten Kirche handelte es sich noch um einen Vorgängerbau, denn mit dem Bau der heutigen Backsteinhallenkirche wurde erst in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts begonnen. Um 1440 wurde der Chor vollendet, der Anbau der später unter das Dach gezogenen Kapellen folgte zwischen 1400 und 1760. Der fünfgeschossige Westturm ist nach dem Vorbild der Türme von St. Marien gebaut, wurde aber 1840 weitgehend überformt.
Beim Bombenangriff auf Lübeck zu Palmarum 1942 blieb die St.-Aegidien-Kirche verschont, so dass sie im Inneren die über Jahrhunderte gewachsene Gestaltung bewahrt hat. Eine Besonderheit ist der Singechor, eine hölzerne Lettnerbühne, die den Chor vom Mittelschiff abtrennt. Er wurde 1586/87 von Tönnies Evers dem Älteren im Stil der niederländischen Spätrenaissance geschaffen und ist mit Gemälden aus der biblischen Heilsgeschichte geschmückt, die Gregor von Gehrden zugeschrieben werden. Bemerkenswert ist auch der 1701 von Hieronymus Jacob Hassenberg nach dem Vorbild des Fredenhagen-Altars in der St.-Marien-Kirche geschaffene Barockaltar. Ebenfalls aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts stammt die hölzerne Kanzel. Sowohl der Kanzelkorb als auch der Schalldeckel sind reich mit Engeln, Putten und allegorischen Figuren geschmückt. Auch der Taufdeckel aus dem 18. Jahrhundert ist reich mit Putten geschmückt. Das älteste Kunstwerk ist eine hölzerne Relieffigur des segnenden Christus aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Bau der Orgel
Die Orgel wurde 1624/25 von Hans Scherer erbaut. Von diesem Instrument ist allerdings nur noch das Prospekt mit seinen aufwändigen Schnitzereien und Intarsien vorhanden, denn das Orgelwerk wurde schon mehrmals ersetzt. Das heutige Instrument wurde 1982 von der Orgelbaufirma Klais aus Bonn 1982 gebaut.
St. Aegidien - Ausgangspunkt der Reformation in Lübeck
St. Aegidien ist der Ausgangspunkt der Reformation in Lübeck gewesen. Um 1523 entstanden hier lutherische Kreise, deren bekanntester Vertreter der Prediger Andreas Wilms war. Schon 1525 übte er Kritik an der Praxis der Messe und verließ Lübeck 1528, nachdem er vom Rat seines Amtes enthoben worden war. Zwei Jahre später kehrte er wieder in die Stadt zurück, wurde allerdings Prediger an St. Petri. Sein Nachfolger an St. Aegidien, der Pleban (Leuteprister) Johann by der Erde, führte den lutherischen Gottedienst ein. Damit war St. Aegidien das erste Kirchspiel in Lübeck, in dem reformatorische Gedanken in die Öffentlichkeit getragen wurden. Das Andenken an Andreas Wilms wird mit dem nach ihm benannten Gemeindehaus der St.-Aegidien-Gemeinde an der Hüxtertorallee bis heute lebendig erhalten.
Dieser Text ist ein verkürzter Auszug aus dem Bildband „Salz der Erde – Licht der Welt – Evangelisch-Lutherische Kirche zwischen Trave und Elbe“ mit Texten von Dr. Claudia Tanck und Fotografien von Manfred Maronde. Das Buch ist 2016 im Hinstorff-Verlag in Rostock erschienen und kann zum Preis von € 29,99 in den Kirchenkreisverwaltungen in Lübeck und Ratzeburg sowie im örtlichen Buchhandel bezogen werden.