Internationales Orgelsymposium zur Zukunft der Orgeln in St. Marien, 10.05.2014

Die Kirchengemeinde St. Marien lädt im Rahmen der Buxtehude-Tage vom 8. bis zum 10. Mai 2014 ein zu einem internationalen Symposium. Das Thema: Die Zukunft der Orgeln in St. Marien. Neben hochkarätigen Konzerten gibt es viele Vorträge und Diskussionen.

Die Kirchengemeinde St. Marien lädt im Rahmen der diesjährigen Buxtehude-Tage vom 8. bis zum 10. Mai 2014 ein zu einem internationalen Symposium. Das Thema: Die Zukunft der Orgeln in St. Marien. Neben einer Reihe hochkarätiger Konzerte ab dem 8. Mai gibt es viele Vorträge und Diskussionen zum Thema Orgelbau. Bürgermeister Bernd Saxe wird das Symposion am Freitag, dem 9. Mai 2014 um 10 Uhr im Hochchor von St. Marien eröffnen. Bis zum 10. Mai gibt es Referate, Vorträge und Diskussionen zur Geschichte der Orgeln und der Kirche. Veranstaltungsorte sind St. Marien und die Holstentorhalle der Musikhochschule.

Ein im Jahre 2010 in Auftrag gegebenes Gutachten stellte erheblich Mängel vor allem im klanglichen und im technischen Bereich an beiden Marienorgeln fest. „Damit St. Marien auch langfristig ein herausragender Ort der Orgelmusik sein kann, lädt die Mariengemeinde zu einem internationalen Ideen- und Meinungsaustausch über die zukünftige Gestaltung der Instrumente an St. Marien ein“, so Marienorganist Johannes Unger. Orgelbauer, Sachverständige, Organisten, Denkmalpfleger und Musikwissenschaftler aus aller Welt werden nach Lübeck kommen, referieren und diskutieren. Hans-Martin Petersen, Orgelsachverständiger der Nordkirche, erstellte das Gutachten: „Anhand des Gutachtens wurde das Symposium vorbereitet. Fertige Konzepte gibt es noch nicht. Für die sehr gründliche Planung dieses Riesenprojektes sammeln wir nun Expertenfachwissen. Auch wenn es noch nicht akut „brennt“ – langfristig muss etwas für den Erhalt der Marien-Orgeln geschehen. Die Marien-Orgeln sind eines der prominentesten Ensembles in Europa“.  

Alle drei Orgeln weisen Schäden auf: Die Große Marienorgel, 1968 von der Firma Kemper erbaut, hat bauliche, klangliche und konstruktive Mängel. Einige Orgelpfeifen sind statisch nicht mehr stabil und die Gefahr des Einsackens besteht. Die elektrische Anlage der Orgel entspricht nicht mehr den heutigen Normen. Auch braucht das Orgelinnere eine gründliche Reinigung. „Ob die Orgel in der jetzigen Form langfristig Bestand haben wird, ist fraglich“. Erfahrungen mit anderen Kemper-Orgeln aus der Zeit würden Petersen nicht optimistisch stimmen.

Die Totentanz-Orgel ist stark von Schimmel befallen: „Der glücklicherweise nicht toxisch ist“, so Petersen. Hier müsse das Raumklima gründlich untersucht werden: Zu hohe Luftfeuchtigkeit in den unbeheizten Perioden, warme Zugluft durch den Touristeneingang und Kältebrücken würden den Pilzbefall begünstigen. Die Wartung sei zudem durch die zu enge Aufstellung der Pfeifensätze sehr schwierig; gleichzeitig führe die enge Aufstellung zu Verstimmungen der Orgel. Das Kleinod, die kleine Orgel der Briefkapelle, wurde 1723 gebaut und mehrfach restauriert, teilweise dilettantisch. Petersen: „Es lohnt sich, ihren historischen Spuren nachzugehen und die kleine Orgel gründlich untersuchen zu lassen, um sie angemessen zu restaurieren“.

Das Fazit des Orgelsachverständigen: „Der Zustand der drei Orgeln in St. Marien signalisiert dringenden Handlungsbedarf, der über Reparaturen, Reinigungen und Generalüberholungen weit hinausgeht. Es gilt zukunftsfähige Bedingungen für die Kirchenmusik an St. Marien zu schaffen. Es bedarf eines klaren Konzeptes, das musikalische Visionen, reale Möglichkeiten und alle Fragen der Raumnutzung berücksichtigt werden“.

Ein ausführliches Programm zum Orgelsymposium gibt es unter www.st.-marien-luebeck.de


Hintergrund:

Die Orgelmusik in St. Marien gehört seit dem 14. Jahrhundert zu den wichtigen Säulen der Kultur in unserer Stadt. Mit dem Bau der  großen Orgel durch Barthold Hering – der riesige gotische Prospekt schmückte die Marienkirche über 400 Jahre – und den Erweiterungen der beiden Orgeln durch Friedrich Stellwagen, verfügte St. Marien über repräsentative und sehr hochwertige Instrumente. Sie waren impulsgebend für die Kompositionen und Improvisationen der Musiker an St. Marien, von denen vor allem Franz Tunder und Dieterich Buxtehude weltweit bekannt sind.

Mit der Zerstörung Lübecks im 2. Weltkrieg ging diese Entwicklungsgeschichte schlagartig zu Ende. Walter Kraft initiierte nach dem Wiederaufbau der Kirche den Neubau zweier großer Orgeln, die im Jahre 1955 (Totentanz-Orgel) und 1968 (große Orgel) unter widrigen Bedingungen fertiggestellt werden konnten. Material, ausreichend Fachwissen und finanzielle Mittel waren nach dem verheerenden Weltkrieg nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Schon 1985 musste deshalb die Totentanz-Orgel der Firma Kemper ersetzt werden. Die neue Totentanz-Orgel der Firma Führer sollte auch klangliche Schwächen der Großen Orgel kompensieren. Das ist nach Meinung der Experten ein Fehler gewesen und hat die Probleme nicht behoben. Wie es in Zukunft weitergehen soll, darüber wird während des Symposions ausgiebig diskutiert werden.


Foto, v. li.: Hans-Martin Petersen, Johannes Unger und Arvid Gast stellen die Buxtehude-Tage 2014 vor und informierten über das Internationale Orgelsymposium.

 

Die Buxtehude-Tage 2014 locken dieses Jahr mit einem Audio-Projekt

Lübeck feiert 400 Jahre Franz Tunder (1614-1667)

Rund um den Todestag des berühmten Marienorganisten Dieterich Buxtehude (9. Mai 1707) lädt die Kirchengemeinde St. Marien zu Lübeck seit 2010 zu einer hochkarätigen Konzertreihe mit Werken aus der Zeit dieses Künstlers ein. In diesem Jahr stehen die Tage unter dem Motto „Lübeck feiert Franz Tunder (1614 – 1667). Franz Tunder, geboren vor 400 Jahren, war ebenfalls Organist und Werkmeister an St. Marien und Gründer der Lübecker Abendmusiken. Er hinterließ ein Oeuvre von fantastischen geistlichen Konzerten, Kantaten und Orgelwerken.

Spannend ist in diesem Jahr nicht nur das Programm, sondern auch ein technisches Experiment: Marienorganist Johannes Unger möchte den Klang der historischen Totentanz-Orgel, die beim Bombenangriff 1945 verbrannte, für die Konzertbesucher erlebbar machen. Bei drei Konzerten kommt daher eine speziell entwickelte Audio-Technik zum Einsatz. Das  Besondere: Der Organist spielt im Vorwege die Musik an der Stellwagen-Orgel in St. Jakobi, dem noch erhaltenen Schwester-Instrument ein. Mit Hilfe aufwendiger Mehrkanal-Tontechnik wird die Musik in die Marienkirche projiziert. Das geschieht in St. Marien im Eröffnungskonzert am 8. Mai um 19.30 Uhr, im Wechsel mit der Führer-Orgel und den Kantatenaufführungen. Das Mittagskonzert am 9. Mai um 12 Uhr ist ein reines Orgelkonzert via Audio-Projekt. Im Abendkonzert am 9. Mai um 20 Uhr sind Führer-Orgel und Audio-Projekt im Vergleich zu erleben, ebenso wie Buxtehudes eindrückliche Kammermusik. Dieses Konzert findet rund um das frühere Grab Buxtehudes statt, einem akustisch hervorragendem Ort.
Für das zeitgleich stattfindende Orgelsymposium ist das Audio-Projekt ein besonderer Akzent, da ein Themenschwerpunkt auch eine mögliche Rekonstruktion der Totentanz-Orgel sein wird.

Das Programm:

Im Eröffnungskonzert der diesjährigen Buxtehude-Tage am Donnerstag, den 8. Mai um 19.30 Uhr sollen Tunders Kantaten- und Orgelwerke erklingen: Die Capella St. Marien musiziert mit renommierten Sängern und Instrumentalisten auf historischen Instrumenten im Hochchor der Marienkirche. Das Programm wird mit Musik von Petrus Hasse, Tunders Amtsvorgänger, und Musik von Dieterich Buxtehude, seinem Nachfolger abgerundet. Letzterer ist vertreten mit der großbesetzten Kantate „Ihr lieben Christen, freut euch nun“ mit Solisten, Chor, Zinken, Trompeten, Posaunen und Streichern. Das Eröffnungskonzert wird im Internet, also weltweit live übertragen. Zum 5. November, dem Todestag Tunders wird dann auch eine CD mit dem Programm des Eröffnungskonzertes erscheinen.

Tunders Musik erklingt ebenfalls am Samstag, dem 10. Mai um 12 Uhr im Mittagskonzert in St. Aegidien, dann in Bearbeitung für Blechblasinstrumente, dargeboten von Musikern des NDR-Sinfonieorchesters und des Gewandhausorchesters Leipzig. Das Konzert wird moderiert.

Chormusik des 19. und 20. Jahrhunderts steht auf den Programmen der Vesper am Samstag, dem 10. Mai um 17 Uhr in St. Jakobi und des Abschlusskonzertes am Samstag, dem 10. Mai um 21 Uhr in St. Marien: Der Kammerchor der Musikhochschule Lübeck singt Brahms-Motetten und der Kieler Madrigalkreis musiziert skandinavische Chormusik. Neben den Lübecker Organisten Arvid Gast, Franz Danksagmüller und Johannes Unger werden fünf weitere renommierte Organisten aus Deutschland in die Tasten greifen. Die Buxtehude-Tage 2014 versprechen in der Verbindung mit dem Orgelsymposium ein Highlight im Kulturleben unserer Stadt zu werden.

Für die großzügige finanzielle Unterstützung des Orgelsymposiums wie auch der Buxtehude-Tage dankt die Marien-Gemeinde folgenden Institutionen:

Possehl-Stiftung
Gemeinnützige Sparkassenstiftung
Von Keller-Stiftung
Internationale Dieterich Buxtehude-Gesellschaft e.V.
4 Viertel-Stiftung
Marienbauverein

 

Internationales Symposium zur Zukunft der Orgeln in St. Marien - Das Programm
9./10. Mai 2014; Schirmherr Bürgermeister Bernd Saxe

Freitag, 9. Mai 2014
ab 8.15 Uhr Vorführung und Besichtigung der Orgeln in St. Marien für geladene Gäste

Symposium I (Ort: St. Marien, Hochchor)
Die Orgelgeschichte von St. Marien
10 Uhr Eröffnung durch den Schirmherren Bürgermeister Bernd Saxe
A Die Orgeln der Marienkirche von 1516 bis ins 19. Jahrhundert (Ibo Ortgies)
B Neubau der Schulze-Orgel 1851-1854 (Johannes Unger)
C Die Orgeln nach dem Zweiten Weltkrieg (Dr. Thomas Lipski)
Ende gegen 11.45

Symposium II (Ort: Musikhochschule, Holstentorhalle, Chor-Saal, Raum 1.01)
Historische und derzeitige Nutzung der Marienkirche, Aspekte der Denkmalpflege
14.30 Uhr
A Musizierpraxis an St. Marien am Beispiel der Lübecker Abendmusiken
(Prof. Dr. Volker Scherliess)
B Die Raumgestaltung nach dem Wiederaufbau (Dr. Heiko Seidel)
C Die derzeitige liturgisch-musikalische Nutzung des Raumes (Pastoren Robert Pfeifer, Annegret Wegner-Braun und Johannes Unger)
D Aspekte der Denkmalpflege (Dr. Irmgard Hunecke)
Ende gegen 16.30 Uhr

Symposium III (Ort: Musikhochschule, Holstentorhalle, Chor-Saal, Raum 1.01)
Überlegungen zur zukünftigen Gestaltung
17.00 Uhr
A Bisherige Überlegungen des Orgelausschusses zur zukünftigen Orgelkonzeption
(OSV KMD Hans-Martin Petersen)
B Musikalische Aspekte einer möglichen Orgelkonzeption (geladene Organisten)
bis 18.30 Uhr

Sonnabend, 10. Mai
Symposium IV (Ort: Musikhochschule, Holstentorhalle, Chor-Saal, Raum 1.01)
Die Marienkirche aus Sicht heutiger Orgelbauer
9.30 Uhr
A Rekonstruktion Totentanz-Orgel? (Mads Kjersgaard)
B Gesamtorgelkonzept/Möglichkeiten und Visionen (geladene Orgelbauer)
bis 12 Uhr
Podiumsdiskussion (Ort: Musikhochschule, Holstentorhalle, Chor-Saal, Raum 1.01)
15 Uhr-18 Uhr
Moderation: Musikjournalist Claus Fischer