Johann-Hinrich-Wichern-Kirche: Adventskranz wird 175 Jahre, 21.12.2014

Der Namensgeber der Kirche, Johann-Hinrich Wichern, erfand vor genau 175 Jahren den Adventskranz. Die Kirchengemeinde feiert dieses Jubiläum mit einem festlichen Taufgottesdienst im Beisein von Pröpstin Petra Kallies am 21. Dezember 2014 um 10 Uhr.

Ein Wagenrad voller Kerzen führt in der Wichernkirche durch den Advent:
Sophie-Marie (5) und Bente (4) schauen skeptisch. „Das soll ein Adventskranz sein?“ Die Skepsis der beiden Mädchen ist berechtigt, denn der „Kranz“ in der Lübecker Wichernkirche ist ein Rad, und es sind auch ganz schön viele Kerzen drauf. Aber am vierten Advent 2014 ist genau dieser Kranz der Star des Gottesdienstes. Der Grund: Der Namensgeber der Kirche, Johann-Hinrich Wichern, erfand vor genau 175 Jahren den Adventskranz – und zwar so, wie er in der modernen Kirche in Lübeck-Moisling nachgebaut wurde.

Die Kirchengemeinde feiert dieses Jubiläum mit einem festlichen Taufgottesdienst im Beisein von Pröpstin Petra Kallies am 21. Dezember 2014 um 10 Uhr in der Kirche im Andersenring 29.

Der Vater der evangelischen Diakonie, Johann Hinrich Wichern (1808-1881), gilt als Erfinder des Adventskranzes. Er war in ein altes Bauernhaus gezogen - weitab vor den Toren Hamburgs. Es hieß „Das Rauhe Haus“ und wurde zur Heimat für verwahrloste und verwaiste Kinder aus den Hamburger Elendsvierteln. Bereits im ersten Jahr betreute er 14 Jungen zwischen fünf und 18 Jahren, die auf den Straßen Hunger, Gewalt und Armut erfahren hatten.

Die Kinder hätten ihn ständig gefragt, wann denn nun endlich Weihnachten sei, so berichtet die Chronik des „Rauhen Hauses“. Um ihre Frage zu beantworten, aber auch um ihnen das Zählen beizubringen, brachte er im Jahr 1839 auf einem hölzernen Wagenrad so viele Kerzen an, wie es Tage vom ersten Adventssonntag bis zum Heiligen Abend waren. Vier weiße für jeden Sonntag und rote für die Werktage. Anders als der heute übliche Adventskranz mit seinen vier Kerzen variiert beim Wichern-Kranz die Zahl der kleinen roten Kerzen von Jahr zu Jahr.

Als man sich in der Wichern-Gemeinde entschloss, diesen Kranz nachzubauen, wurde über dieses Problem lange nachgedacht. „Ein Wagenrad mit über einem Meter Durchmesser war schnell gefunden, ein Schmied setzte große und kleine Kerzenhalter auf den Rand und bemalte das Ganze so schön, dass wir jetzt Kranz dazu sagen können“, so Pastor Christian Gauer. Aber wie hat Wichern das mit den Kerzen gelöst? Jedes Jahr neue Löcher gebohrt? Ein paar Plätze leer gelassen?

„Wir haben es nicht herausgefunden und uns daher für eine Mischung aus Adventskranz und Adventskalender entschieden“, berichtet der Pastor. Vier weiße und 24 rote Kerzen gibt es hier. „Das gilt jedes Jahr und berücksichtigt das Motiv Wicherns, dass die Kinder durch Abzählen selbst herausfinden können, wie viele Tage es noch bis zum Heiligen Abend sind“.
Das überzeugt auch Bente und Sophie Marie. Obwohl: So weit zählen können die beiden noch nicht. Aber sie sehen: Da fehlen noch ganz schön viele Kerzen bis Weihnachten. Ob das der Grund war, dass man ihre Zahl auf vier reduzierte? Nein, das hat schlicht praktische Gründe. Für die Wohnzimmer der Bürgerhäuser war der Kranz zu groß. Hätte man die Kerzen enger zusammengerückt, hätten sie sich gegenseitig zum Schmelzen gebracht. Und so ist Weihnachten jetzt nicht mehr viele Tage, sondern nur noch insgesamt vier Sonntage weit weg.

Übrigens: Das von Wichern gegründete „Rauhe Haus“ in Hamburg ist stark gewachsen. Aus den 14 Jungen sind bis heute mehr als 3.000 Menschen geworden. Die Stiftung ist in der Kinder- und Jugendhilfe, Sozialpsychiatrie, Altenhilfe und Behindertenhilfe an 100 Standorten tätig. Sie ist Trägerin der Wichern-Schule, der Ev. Berufsschule für Altenpflege sowie der Ev. Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie – und hat sogar eine eigene U-Bahn-Haltestelle.

Das kleine Reetdach-Haus, in dem Wichern seinen ersten Adventskranz aufstellte, wird heute als Museum und Tagungshaus genutzt. Es war im 2. Weltkrieg durch Bomben und 2003 durch Brandstiftung zerstört und immer wieder aufgebaut worden. Allerdings steht es heute nicht mehr vor den Toren Hamburgs, sondern mittendrin.

Foto: So viele Tage sind es noch bis Weihnachten: Sophie-Marie (links) und Bente lassen sich von Pastor Christian Gauer den besonderen Adventskranz in der Lübecker Wichernkirche erklären