Ratzeburg: Sterbebegleitung Thema auf Michaelisempfang, 29.09.2015

Der Michaelisempfang des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg ist mittlerweile eine schöne Tradition: Alljährlich wird er am 29. September, dem Michaelistag, gefeiert. Gäste aus Politik, Gesellschaft und Kirche folgten der Einladung. Thema des Empfanges war Sterbebegleitung.

Der Michaelisempfang des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg ist mittlerweile eine schöne Tradition: Alljährlich wird er am 29. September, dem Michaelistag, gefeiert. Der Tag erinnert im Wechsel zwischen den Jahreszeiten an den Erzengel Michael und an Gottes Macht über Kälte und Unbarmherzigkeit, an seine Wegbegleitung und die guten Mächte – und auch an die guten Kräfte in uns Menschen. Pröpstin Frauke Eiben lud Gäste aus Politik, Gesellschaft und Kirche in die Ratzeburger St. Petrikirche ein; unter ihnen Bischöfin Kirsten Fehrs, Landtagspräsident Klaus Schlie, Krankenhausseelsorger Michael Brems, Palliativmediziner Dr. Patrick Lohmann, die Bürgermeister von Ratzeburg und Mölln, Rainer Voß und Jan Wiegels sowie Kreispräsident Meinhard Füllner und Landrat Christof Mager. Thema des Empfanges war „Sterbebegleitung – für ein gutes Ende“.

„Darin schwingt die Diskussion mit, die uns in diesem Jahr im Bundestag zur Sterbehilfe begleitet und die eine gesellschaftliche Debatte angestoßen hat. Wenn wir über das Sterben nachdenken, dann denken wir unvermeidlich auch über unser Leben und Sterben nach. Was wünsche ich für mich, für meine Eltern, für die, die mir anvertraut sind, für die Situation in unseren Altersheimen, Krankenhäusern und Hospizen?“, eröffnet Frauke Eiben den Empfang. „Am Michaelistag über die Grenze zwischen Leben und Tod zu sprechen ist sehr angemessen. Werden doch die Engel, die Boten Gottes, in der Bibel als die beschrieben, die in Grenzsituationen begleiten und Wegweisung geben. Dabei ist die Erkennungsmelodie der Boten beinah die wichtigste Botschaft. Drei Worte, mit denen sie sich zu erkennen geben: Fürchte dich nicht. Hab keine Angst. In der Sterbebegleitung, am Ende des Lebens ist dieser Zuspruch ein wichtiger Halt und er wird von unterschiedlichen „Engeln“ zugesprochen: von Ärzten, Krankenschwestern, Seelsorgern und vielen Ehrenamtlichen im Hospiz“.

Einer dieser Engel ist Pastor Michael Brems, Pastor und Krankenhausseelsorger. Zehn Jahre wirkte er am Krankenhaus Boberg, heute koordiniert er die Krankenhausseelsorge der Nordkirche und stellt sich der Debatte um die Sterbehilfe sehr differenziert. „Die Frage nach dem Tod stellt auch die Frage nach dem Leben: Was lässt es blühen?“. Anfang November stimmt der Bundestag über vier fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe ab. Einig sind sich die Parteien, dass es keine organisierte Sterbehilfe geben soll. Nach geltendem Recht seien Suizid und Beihilfe (passive Sterbehilfe) nicht strafbar, „die aktive Sterbehilfe ist aber verboten“, sagt Michael Brems. Die Gesetzesentwürfe reichen von einer weitgehenden, nicht am Profit ausgerichteten, Freigabe über eine ärztlich assistierte Selbsttötung bis hin zu einem Verbot der Sterbehilfe.

„Und was sagt die Kirche?“ fragt Michael Brems und antwortet: „Jedes Leben ist kostbar. Jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes. Gerade beschädigtes Leben braucht Schutz. Unsere Würde, unsere Einmaligkeit verlieren wir nicht, wenn wir krank oder behindert sind. Ich bin nicht der alleinige Baumeister meines Lebens“. Der Ruf nach Sterbehilfe sei oft ein Hilferuf, dass derjenige „so“ nicht mehr leben wolle. „Wichtig ist zu begreifen, dass Sterbenszeit auch Lebenszeit ist. Diese Zeit kann palliativ und damit gut begleitet werden“. Ein weiter Aspekt sei  es anzuerkennen, dass jedes Leben endlich ist und im Vorwege bestimmt werden kann, wie das Sterben geschehen könne. „Ich muss nicht alles über mich ergehen lassen, ich darf das Leben loslassen“. Michael Brems ist der Meinung, die Regelung, Sterbebeihilfe sei keine ärztliche Aufgabe – aber auch nicht verboten, sei ausreichend. „Somit wäre Raum für Einzelfälle“.

IMG 4070In der anschließenden Talkrunde diskutierten Bischöfin Kirsten Fehrs, Landtagspräsident Klaus Schlie und Palliativmediziner Patrick  Lohmann dieses sensible Thema. Fazit: Alle drei befürworten palliative Begleitung und dass diese mehr in den Blick der Öffentlichkeit rückt. „Es ist wichtig, dass Ärzte eine rechtliche Sicherheit haben, sollten sie als letzten Schritt im allerletzten Moment ihre Hilfe gewähren“, sagt Klaus Schlie. Er finde es sehr lohnend, dass die Debatte um Sterbehilfe geführt wird. „Patienten überzeugen uns Ärzte manchmal Schritte zu gehen, die wir vorher nicht gegangen wären“, führt Patrick Lohmann weiter aus. „So können in der Palliativmedizin leichte Narkosen gegeben werden, um Schmerzen zu behandeln. Das wissen viele nicht. Für mich ist der Satz, dass „Beihilfe zu Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe ist“ eine sehr glückliche Formulierung und der beste Entwurf“. Bischöfin Kirsten Fehrs stimmt zu: „Die Möglichkeiten der Palliativmedizin sind viel zu wenig bekannt. Es entlastet Patienten und Angehörige, von einem Team aus Ärzten, Pflegern und Helfern wie Seelsorger begleitet zu werden“.

Laut Patrick Lohmann seien die Zahlen der Patienten, die aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen, verschwindend gering. „Ich habe in den letzten Jahren über tausend Patienten begleitet, und keiner hat nach einer Telefonnummer aus Holland oder der Schweiz zur aktiven Sterbehilfe gefragt. Aber es ist gut, dieses Thema zu diskutieren und somit Aufklärung zu schaffen“.

Info:
Zurzeit arbeiten im Gebiet der Nordkirche von der dänischen bis zur polnischen Grenze 103 Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger in 74 verschiedenen Häusern und Einrichtungen. Im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg sind es vier Pastorinnen und Pastoren.

Foto oben: Pröpstin Frauke Eiben begrüßt die Gäste auf dem Michaelisempfang.
Foto Talkrunde: Patrick Lohmann, Kirsten Fehrs und Klaus Schlie diskutieren das Für und Wider der Sterbehilfe (v. li.). Rechts: Pastor und Krankenhausseelsorger Michael Brems moderiert die kleine Talkrunde und lieferte zuvor Impulse zu diesem wichtigen Thema.