Luther-Melanchthon, Lübeck Abgesagt: Lesung von Jürgen Gückel aus "Klassenfoto mit Massenmörder"

Der Journalist Jürgen Gückel liest in der Lübecker Lutherkirche. Copyright: privat

Die für Montag, 23. März 2020 angekündigte Lesung des Journalisten Jürgen Gückel in der Lutherkirche, Moislinger Allee 96, aus seinem Buch "Klassenfoto mit Massenmörder" ist abgesagt.

Spannende Lesung in der Lutherkirche

Als Kind hatte Jürgen Gückel erlebt, wie sein Klassenlehrer plötzlich im Unterricht verhaftet wurde. Später recherchierte er den Hintergrund: Sein Lehrer war in der Nazi-Zeit ein Massenmörder und Kriegsverbrecher gewesen, der später unter falscher Identität untertauchte. Das spannende Buch befasst sich nicht nur mit der spektakulären Biografie des Täters, sondern auch damit, wie in der deutschen Nachkriegsgesellschaft Vertuschung und Wegsehen an der Tagesordnung waren.

Eine Veranstaltung der Gedenkstätte Lutherkirche in Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg.

Über das Buch "Klassenfoto mit Massenmörder"

Niedersachsen, August 1961. Der Klassenlehrer Walter Wilke wird in seiner Dorfschule aus dem Unterricht abgeholt und später in einem der ersten großen Prozesse über deutsche Verbrechen in Osteuropa verurteilt. In seinem kleinen Ort wird über die Sache nicht gesprochen. Später kehrt der Mann zurück und lebt bis zu seinem Tod 1989 zurückgezogen im Dorf. Seine Frau, mit der er über Jahre in Bigamie gelebt hatte, ist die beliebte Landärztin.

Wer war Walter Wilke?

Jürgen Gückel, mehrfach ausgezeichneter Gerichtsreporter, geht einer Spur nach. Einer Geschichte, die ihn seit der Schulzeit beschäftigt, denn Walter Wilke war sein erster Lehrer. Gückel rekonstruiert einen einzigartigen Lebensweg: „Walter“ war in Wahrheit Artur Wilke, der die Identität seines gefallenen Bruders angenommen hatte. Artur selbst war studierter Theologe und Archäologe, im Dritten Reich der SS beigetreten und nachweislich an Massenerschießungen von Juden beteiligt. Er galt als gefürchteter Partisanen-Jäger und wurde nach dem Krieg dann – Volksschullehrer. Sein Name ist mit grauenhaften Kriegsverbrechen verbunden, doch zur Rechenschaft gezogen wurde er für seine Taten im Partisanenkampf nie.

Erarbeitung einer historischen Wahrheit

Das Buch zeichnet nicht nur eine spektakuläre deutsche Biografie im 20. Jahrhundert nach – die Entwicklung eines Intellektuellen zum Täter und die Verneinung jeglicher persönlicher Schuld, das Wegsehen der Gesellschaft. Es zeigt auch auf, wie schwierig das Erinnern ist, wie unterschiedlich Erlebtes bewertet wird und wie schwer die Erarbeitung historischer Wahrheit letztlich ist. Auch nach der Sichtung mehrerer zehntausend Seiten Gerichtsakten und anderer Dokumente bleiben scheinbar einfache Fragen offen.

Über den Autor Jürgen Gückel

Jürgen Gückel ist Journalist. Er war fast vier Jahrzehnte als Redakteur und Korrespondent für verschiedene Zeitungen tätig und arbeitete zuletzt 23 Jahre lang als Polizei- und Gerichtsreporter des Göttinger Tageblattes. Für seine Arbeiten ist er vielfach ausgezeichnet worden. Er deckte den Transplantations-Skandal am Universitäts-Klinikum Göttingen auf und wurde dafür zusammen mit Kolleginnen der Süddeutschen Zeitung und der Taz mit dem Wächterpreis des Verbandes der Deutschen Zeitungsverleger geehrt. Viermal wurde ihm der Alexander-Journalistenpreis zugesprochen, unter anderem für eine Serie und ein Buch über das Grenzdurchgangslager Friedland