Die Geschichte der Kirchengemeinde St. Gertrud

Bereits im Mittelalter gab es im Osten Lübecks außerhalb der Stadtmauern eine der heiligen Gertrud gewidmete Kapelle, die der Vorstadt ihren Namen gab. Kirchlich gehörten die Einwohner der Vorstadt zur Kirchengemeinde St. Jakobi. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung in der Vorstadt St. Gertrud stetig an. Weil insbesondere für ältere Menschen der Weg zur St.-Jakobi-Kirche in der Innenstadt weit und beschwerlich war, wuchs der Wunsch nach einer eigenen Gottesdienststätte in der Vorstadt St. Gertrud. Am 4. April 1902 wurde durch ein Kirchengesetz die Kirchengemeinde St. Gertrud als eigenständige Kirchengemeinde von der St.-Jakobi-Gemeinde abgeteilt.

Bau der Backstein-Hallenkirche

1907 wurde der Gemeinde von den Vorstehern des Heiligen-Geist-Hospitals ein Gelände auf dem Galgenbrook als Bauplatz für eine Kirche überschrieben, mit dem Bau wurde jedoch erst im April 1909 begonnen. Nach den Plänen der Berliner Architekten P. Jürgensen und J. Bachmann entstand eine dreischiffige, gewölbte Backstein-Hallenkirche mit einem massigen, eingezogenen Westturm im damals beliebten Heimatschutzstil. Am 6. Juni 1910 wurde das Gotteshaus, das nach der mittelalterlichen Kapelle den Namen St. Gertrud erhielt, geweiht. Zu dem Bauensemble gehörte außer der Kirche auch ein Gemeindesaal, Pfarr- und Küsterwohnungen, eine Schwesternstation und eine Kleinkinderschule, was für die damalige Zeit noch eine ungewöhnliche Entscheidung war, mit der aber die zu erwartende Entwicklung der St.-Gertrud- Vorstadt weitsichtig in den Blick genommen worden war.

St. Gertrud ist als evangelische Predigtkirche konzipiert, und so wurden die Fenster mit farbigen Porträts berühmter protestantischer Glaubenszeugen geschmückt. Erhalten geblieben sind die Bildnisse von Martin Luther, Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen und König Gustav Adolf von Schweden.

1963 wurde der Innenraum der Kirche nach Plänen der Hamburger Architekten Grundmann und Sandtmann umgestaltet und erhielt sein jetziges Aussehen. In schlichten Formen wurden Altar, Kanzel und Taufe aus buntem Muschelkalkstein aufgestellt, und in der Chorwand eine Komposition aus Dallglasfenstern des Ahrensburger Glasmalers Assmann installiert.

Einzig erhaltene Walcker-Orgel in Lübeck

Ein besonderes Schmuckstück der Kirche ist auch die Orgel, die 1910 von der renommierten Firma Walcker in Ludwigsburg gebaut wurde und in zweierlei Hinsicht eine Besonderheit darstellt. Zum einen ist die Gestaltung des Prospekts zu nennen, auf dem auf drei Feldern die Anbetung des Christkindes durch die Hirten abgebildet ist. Insbesondere die Darstellung der Engel weist deutliche Elemente des Jugendstils auf. Zum anderen ist die Orgel in St. Gertrud neben dem Instrument in der Reformierten Kirche die einzig erhaltene Walcker-Orgel in Lübeck.

Nach dem Zweiten Weltkrieg die Bevölkerung in der Vorstadt St. Gertrud auf 35.000 Menschen angewachsen. Weil eine intensive Gemeindearbeit in diesem großen Gebiet kaum noch möglich wurde 1951 die St.-Thomas-Gemeinde auf Marli abgeteilt; 1956 folgte als weitere Tochtergemeinde St. Stephanus.

Dieser Text ist ein verkürzter Auszug aus dem Bildband  „Salz der Erde – Licht der Welt – Evangelisch-Lutherische Kirche zwischen Trave und Elbe“ mit Texten von Dr. Claudia Tanck und Fotografien von Manfred Maronde. Das Buch ist 2016 im Hinstorff-Verlag in Rostock erschienen und kann zum Preis von € 29,99 in den Kirchenkreisverwaltungen in Lübeck und Ratzeburg sowie im örtlichen Buchhandel bezogen werden.