Bornkamp: Kirchengemeinde in St. Jürgen lädt zum Runden Tisch, 08.05.2015

Die Diskussion um die geplante Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in der Bornkamp-Siedlung wird hitzig geführt. Die Kirchengemeinde in St. Jürgen lädt nun mit offenen Armen zum Gespräch ein.

Die Diskussion um die geplante Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in der Bornkamp-Siedlung wird hitzig geführt.  Die Ev.-Luth. Kirchengemeinde in St. Jürgen, die mit der Oase im Stadtteil präsent ist, lädt in naher Zukunft die unterschiedlichen Interessengruppen an einen „Runden Tisch“, um miteinander über Schwierigkeiten und auch Chancen zu sprechen. Ziel ist es, sich gemeinsam mit den Schulen im Stadtteil und der Gemeindediakonie präventiv gegen Fremdenangst und latenten Rassismus einzusetzen.

„Als Ev.-Luth. Kirchengemeinde in St. Jürgen sehen wir uns in der Verpflichtung, uns für einen menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten und für eine gelingende Integration einzusetzen“,  sagt Pastor Heiko von Kiedrowski vor dem Horizont der schrecklichen Schicksale der Hilfesuchenden auf dem Mittelmeer und angesichts der öffentlichen Diskussion um die Errichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung im Bornkamp.  Diese Standortdebatte sei Ausdruck für die demokratische Qualität der Gesellschaft. Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht auf Information und Unterstützung, wenn sie gesamtgesellschaftliche Aufgaben übernehmen müssen.

Auch die für den Hochschulstadtteil und Bornkamp zuständige Pastorin Katja von Kiedrowski setzt sich dafür ein, dass die Bewohner kompetent informiert werden, damit sie „ihre eigene Vorstellung entwickeln, diffuse Ängste hinterfragen und sich positionieren können“. Heiko von Kiedrowski bedauert in diesem Zusammenhang „die wenig bürgerorientierte Informationspolitik  der vergangen Wochen“ und unterstützt das Innenministerium des Landes nun dabei, mit Informationsgesprächen und Begegnungen offene Fragen zu klären. Darüber hinaus lädt der  Vorsitzende des Kirchengemeinderats Kritiker wie Befürworter der Erstaufnahmeeinrichtung zu einem runden Tisch ein. „Es ist der Kirchengemeinde ein Anliegen, sich gegen rassistische Strömungen und Fremdenangst präventiv einzusetzen“, sagt er. Mit diesem Auftrag will er auf Institutionen und Vereine im Hochschulstadtteil und Bornkamp zugehen, um Projekte gegen Fremdenangst zu initiieren und die Integration von Flüchtenden in die Gesellschaft zu erleichtern. Er sieht die Rolle der Kirche als „vernetzter sozialer Partner im Stadtteil“.

Auch Jochachim Nolte, Beauftragter für Rechtsextremismus im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, sucht das Gespräch, um Menschen zu ermutigen anderen zu helfen und sich aktiv für diese einzusetzen. In diesem Sinne plädiert  er für eine „Kultur des Willkommens“. Nolte versteht ein solches Engagement als einen Dienst am Gemeinwohl und als einen notwendigen Beitrag zu einem gesellschaftlichen Klima, in dem Humanität, Menschenwürde und Menschenrechte gefördert und gewahrt werden. „Kirche darf nicht mitmachen bei dem, was das gesellschaftliche Klima vergiftet und die Würde von Menschen antastet“, sagt er.

Diakoniepastorin Dörte Eitel dankt der Kirchengemeinde in St. Jürgen für ihre Stellungnahme und Initiative, Kritiker und Befürworter an einen runden Tisch zu laden: „Es braucht einen neutralen Raum, in dem Kritik und Befürwortung ohne Vorverurteilungen offen ausgesprochen und gehört werden können.“ Die Geschäftsführerin der Gemeindediakonie Lübeck erinnert an die große Hilfsbereitschaft bei der Aktion „Hilfe im Advent“. „Es gibt in der Lübecker Bevölkerung nach wie vor eine große Bereitschaft zur Hilfe und zum ehrenamtlichen Engagement“, sagt sie. „Auch im Bornkamp  engagieren sich Ehrenamtliche mit Sprachpatenschaften oder durch die Unterstützung bei schwierigen Asylverfahren.“

Der genaue Termin des „Runden Tisches“ wird noch bekanntgegeben. Weitere Infos unter www.st-juergen.de

Wer sich engagieren möchte, wende sich bitte an die Kirchengemeinde in St. Jürgen unter info@st-juergen.de

Hintergrund:
Die für den Bornkamp zuständige Ev.-Luth. Kirchengemeinde in St. Jürgen gehört zu den größten Kirchengemeinden Schleswig-Holsteins. An fünf Standorten südlich der Lübecker Altstadt betreut sie über vierzehntausend Gemeindeglieder.

Bildunterschrift:
Laden ein zum „Runden Tisch“: Pastorenehepaar von Kiedrowski, Diakoniepastorin Dörte Eitel und Joachim Nolte vom Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg.

 

Hier finden Sie die vollständigen Stellungnahmen:

„Ihr seid auch Fremdlinge gewesen“

Stellungnahme der Ev.-Luth. Kirchengemeinde in St. Jürgen zur Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in der Wohnsiedlung „Bornkamp“, Pastor Heiko von Kiedrowski, 07.05.2015

"Als Ev.-Luth. Kirchengemeinde in St. Jürgen sehen wir uns in der Verpflichtung, uns für einen menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten und eine gelingende Integration einzusetzen. Vor dem Horizont der schrecklichen Schicksale der Hilfesuchenden auf dem Mittelmeer und angesichts der öffentlichen Diskussion um die Errichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung erinnern wir uns daran, dass die Traditionen des Alten wie des Neuen Testaments uns zum Schutz und zur Unterstützung der Flüchtenden auffordern, von der Flucht aus Ägypten bis zur Geburt Jesu in Not und Gefahr.

Die Aufnahme von Flüchtenden ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die daraus entstehenden wirtschaftlichen oder sozialen Konsequenzen müssen gemeinsam getragen werden. Die Diskussion um die Erstaufnahmeeinrichtung im Bornkamp ist als Standortdebatte Ausdruck für die demokratische Qualität der Gesellschaft. Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht auf Information und Unterstützung, wenn sie gesamtgesellchaftliche Aufgaben übernehmen müssen.

Als Kirchengemeinde setzen wir uns dafür ein, dass die Bewohner von Hochschulstadtteil und Bornkamp kompetent informiert werden. Wir bedauern die wenig bürgerorientierte Informationspolitik der vergangenen Wochen und unterstützen das Innenministerium des Landes dabei, mit Informationsgesprächen und Begegnungen offene Fragen zu klären. Ebenso werden wir als Gemeinde Kritiker wie Befürworter der Erstaufnahmeeinrichtung zu einem runden Tisch einladen.

 Darüberhinaus ist es der Kirchengemeinde ein Anliegen, sich gegen rassistische Strömungen und Fremdenangst präventiv einzusetzen. Deshalb laden wir Institutionen und Vereine in Hochschulstadtteil und Bornkamp ein, gemeinsam mit uns Projekte gegen Fremdenangst zu initiieren und die Integration von Flüchtenden in unsere Gesellschaft zu erleichtern."

„Es gibt eine große Bereitschaft zur Hilfe“

Diakoniepastorin Dörte Eitel, Geschäftsführerin der Gemeindediakonie Lübeck

"Ich danke der Kirchengemeinde St. Jürgen sehr für ihre Stellungnahme und Initiative, Kritiker und Befürworter zu einem runden Tisch einzuladen. Ich glaube, es braucht einen neutralen Raum, in dem Kritik und Befürwortung, Fragen und Ängste ohne Vorverurteilungen offen ausgesprochen und gehört werden können.

Es gibt in der Lübecker Bevölkerung nach wie vor eine große Bereitschaft zur Hilfe und zum ehrenamtlichen Engagement. Die Aktion „Hilfe im Advent“ hat uns überwältigt, weil sie diese große Bereitschaft so sichtbar gemacht und auch gefördert hat. Und auch im Bornkamp engagieren sich Ehrenamtliche z.B. mit Sprachpatenschaften oder durch die Unterstützung bei schwierigen Asylverfahren.

Die Gemeindediakonie Lübeck betreut alle Flüchtlingsunterkünfte und macht mit dem Konzept der Hansestadt Lübeck,  der dezentralen Betreuung mit kleinen Unterkünften in den Stadtteilen und einem Betreuungsschlüssel von 1 : 40 positive Erfahrungen. Neben diesem Konzept und dem hohen ehrenamtlichen Engagement gibt es noch die Stiftungen, besonders zu nennen sind die Possehl-Stiftung und die Sparkassenstiftung, die uns die Sprachkurse in den Unterkünften ermöglichen.

Lübeck kann stolz sein auf dieses gute Zusammenspiel zwischen der Hansestadt Lübeck, der Gemeindediakonie, dem Engagement der Bürger und Bürgerinnen und der Stiftungen. Deshalb begrüße ich sehr, dass nun auch das Land eine Sprachförderung in den Erstaufnahmeeinrichtungen installieren will."

Hintergrund: Die Gemeindediakonie Lübeck betreibt im Auftrag der Hansestadt Lübeck derzeit 12 Wohnanlagen sowie weitere Unterbringungen in Hotels für rund 600 Asylsuchende. Darüberhinaus betreut sie Asylsuchende für jeweils 12 Monate in deren Wohnungen.

 

"Suchet den Schalom der Stadt" und betet für sie

Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, Jochachim Nolte,  Beauftragter Kirche und Rechtsextremismus, 07.05.2015

"Suchet den Schalom der Stadt" und betet für sie - diese Worte schrieb vor etwa 2500 Jahren der Prophet Jeremia. Eigentlich sollte man diese Worte Jeremias besser so wiedergeben: "Suchet das Wohl der Stadt, suchet ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden für die Stadt", denn im hebräischen Text steht hier das Wort Schalom, mit dem ein Leben in umfassender Gerechtigkeit gemeint ist. Dieser Schalom ist fürwahr - wie Luther übersetzt hat - das Beste, was man einer Stadt wünschen kann.

Auf Lübeck bezogen: Wir sind aufgerufen uns für ein Leben in umfassender Gerechtigkeit in unserer Stadt einzusetzen.

Dieser Schalom braucht unser Engagement für Frieden und Gerechtigkeit.
Unser Engagement verstehen wir auch als Dienst am Gemeinwohl. und als notwendigen Beitrag zu einem gesellschaftlichen Klima, in dem Humanität, Menschenwürde und Menschenrechte gefördert und gewahrt werden. Alle sind eingeladen, mitzuwirken! Und diese Einladung gilt auch an die kirchlichen Akteure, gemeinsam mitzuwirken.

Bei all dem darf und kann Kirche niemals bequeme Kirche sein, wenn sie denn eine Kirche sein will, die nach den Konsequenzen des Evangeliums für die Gestaltung aller Bereiche des Lebens fragt. Kirche muss um des Evangeliums willen angehen gegen das, was dem Gemeinwohl schadet. Sie darf nicht mitmachen bei dem, was das gesellschaftliche Klima vergiftet und die Würde von Menschen antastet. Um des Friedens willen muss sie in kritischer Solidarität streitbare Kirche sein und damit den Schalom suchen. Gerade durch ihre Einmischung in den öffentlichen Diskurs einer Polis, gerade als streitbare Kirche leistet die Kirche "politische Diakonie" für die Stadt.  

Wir suchen das Gespräch. Wir möchten dazu beitragen, dass Menschen ermutigt werden, sich in unterschiedlichster Weise aktiv für die Gestaltung einer Kultur des Willkommens, der Menschen, die aus Not zu uns kommen, einzusetzen. Wir tragen Mitverantwortung dafür, dass das gelingt.

Kirche kann dazu einiges beitragen. Die Gemeindediakonie begleitet mit einer Vielzahl von Mitarbeitern Flüchtlinge in unterschiedlichen Lebenssituation, so auch Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften. Wir haben unsere PastorInnen vor Ort, die Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, Pastorin Hartmann-Runge, die heute leider verhindert ist und Menschen aus unseren Gemeinden, die sich bereits hier vor Ort für eine Willkommenskultur einsetzen.

Unsere Gemeinden können offene Begegnungsräume sein, wo Sprachlosigkeit überwunden werden kann.

Wir möchten bei all dem erkennbar und glaubwürdig sein – als Einzelne, als Gemeinde und als Kirchen, die für das Recht und die Würde jedes Menschen eintreten. Darum sollten wir uns als Kirchenvertreter an die unterschiedlichsten Gesprächstische in dieser Stadt, hier im Stadtteil – und manchmal zwischen alle Stühle setzen.

 

Bischof Gothart Magaard begrüßt Flüchtlingspakt der ersten Flüchtlingskonferenz in Kiel

Das Thema Flüchtlingshilfe beschäftigt derzeit alle Kirchenkreise in der Nordkirche. Der Schleswiger Bischof Gothart Magaard würdigte die Hilfsbereitschaft der schleswig-holsteinischen Bevölkerung. So würden sich landesweit über 150 evangelische Kirchengemeinden in der Flüchtlingshilfe engagieren.

Bei der ersten Flüchtlingskonferenz Schleswig-Holsteins wurde am 06.05.2015 in Kiel ein Flüchtlingspakt vorgestellt. An den vorbereitenden Beratungen nahmen Flüchtlingsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Vertreter der Wohnungswirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Behörden teil. Kernpunkt des Paktes ist, dass elf Landkreise und vier kreisfreie Städte für die Einrichtung von Koordinierungsstellen für Flüchtlinge künftig zwei Millionen Euro im Jahr bekommen. Zudem erhalten die Kommunen für jeden Flüchtling eine einmalige Integrationspauschale von 900 Euro. Das kündigte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) Albig an.

Magaard und der Leiter des Diakonischen Werkes Schleswig-Holstein, Landespastor Heiko Naß, begrüßten den Flüchtlingspakt. Naß mahnte aber zugleich weitere Finanzhilfe vom Land an. Bischof Magaard wurde auf der Konferenz das Patenamt für den Flüchtlingspakt übertragen. "Ich werde mich in den kommenden Monaten und Jahren bei der Weiterentwicklung und Umsetzung der Zielvorgaben einbringen", sagte der evangelische Theologe.