Kirchenkreis Lübecl-Lauenburg Mutwort von Pröpstin Frauke Eiben zum Buß- und Bettag

Pröpstin Frauke Eiben Copyright: Guido Kollmeier

Mutwort von Pröpstin Frauke Eiben

Gibt es eigentlich eine Altersgrenze, um sich zu ändern? Und wenn nicht, was muss passieren, damit man neu anfängt. Heute am Buß- und Bettag erzähle ich von einer Liebesgeschichte, die nach über 50 Jahren neu beginnt.

Herr Schmidt ist ein Mann mit Prinzipien. Er liebt Ordnung und dass die Dinge so sind, wie sie immer sind. Auch in seiner Ehe. Seine Frau Barbara und er sind über 50 Jahre verheiratet – und da hat sich so manches eingespielt. Barbara ist für die Küche zuständig. Einkaufen, Kochen, Abwaschen. Für die Wäsche, für die Hausarbeit und für die Beziehung zu den erwachsenen Kindern und zum Enkelkind.

Herr Schmidt hält sich da raus. Er hat seine Routine. Den Garten, den Hund und das wöchentliche Bowlingspielen, ab und zu ein Sodoku lösen. Fertig.

Ob er glücklich ist, ich glaube, darüber macht er sich keine Gedanken. Doch eines Tages gerät sein Lebensrhythmus durcheinander. Es riecht am Morgen nicht wie sonst nach Kaffee, obwohl das Bett an seiner Seite leer ist. Wo ist seine Frau? Er entdeckt sie im Badezimmer. Sie ist gestürzt und hat eine blutende Wunde am Kopf. Frau Schmidt ist so schwach, dass sie nur noch wieder ins Bett will.

Und jetzt? Sie wünscht sich eine Tasse Kaffee und damit beginnt die Herausforderung für Herrn Schmidt. Er kennt sich überhaupt nicht aus. Wie macht man das Kaffeekochen? Wie funktioniert diese Maschine? Überfordert und genervt geht er schließlich in die nahegelegene Bäckerei um für sich und seine Frau einen Kaffee to go zu kaufen.

Barbara Schmidt ist schwer krank. Sie wird nicht wieder zu Kräften kommen. Und damit ist das Leben von Herrn Schmidt auf den Kopf gestellt. Langsam tastet er sich an die neue Rolle heran. Unwillig zunächst – doch mit mehr und mehr Respekt vor der Leistung seiner Frau. Denn so einfach ist das gar nicht mit dem Haushalt. Seine Fürsorge geht durch den Magen. Er beginnt für seine Frau zu kochen. Griesbrei, der anbrennt und zunächst zu flüssig ist und dann schließlich gelingt, Milchsuppe, Borschtsch, das er hasst, schon weil Rote Bete drin sind– und sich trotzdem durcharbeitet bis hin zu den schönsten Kuchen und Birnenmarmelade, weil seine Frau nur noch Süßes essen mag.

Alina Bronsky beschreibt in ihrem Buch „Barbara stirbt nicht“ die leise Veränderung von Herrn Schmidt, der mit jedem Tag und mit jedem Gericht, das er seiner Frau kocht, lernt sie mit anderen Augen zu sehen. Zu erkennen, was sie all die Jahre für ihn war und getan hat. Man ahnt, dass er Fehler erkennt, Vorurteile zur Seite schiebt  und lernt über den eigenen Schatten zu springen. Das geht zu Herzen. Und das kommt an.

Diese Geschichte ist für mich eine Buß- und Bettagsgeschichte. Sie erzählt, dass wir in jedem Alter eingefahrene Wege verlassen können, wenn wir erkennen, dass sie in die Irre führen. Sie erzählt, dass es zu jedem Zeitpunkt möglich ist, auch in einer Beziehung neu zu beginnen und mit anderen Augen auf die Menschen zu blicken, die lange zu uns gehören. Und sie erzählt, dass wir über uns hinauswachsen können, wenn wir dem Herzen folgen.

Udo Lindenberg beschreibt es in seinem Lied „Kompass“ so:

„Von Norden bis Süden, von Ost nach West hab ich was dabei, was mich nicht hängen lässt. Auch wenn das Chaos wie wild um mich dreht. Mein Herz ist mein Kompass und zeigt mir den Weg. Er ist immer da in jedem Moment. Und wenn ich mal durchdreh, nicht weiß wohin geht´s . Mein Herz ist mein Kompass und zeigt mir den Weg.“

Herz einschalten: dann ist es möglich neue Wege zu finden und umzudrehen, wenn wir uns verstrickt haben.