Rücken stärken und gemeinsam feiern: Viel Rückhalt, Freude und bewegende Momente gab es beim Segnungs-Gottesdienst für Tomke David Buchholz in Niendorf an der Stecknitz. Copyright: Annkathrin Bornholdt
Ratzeburg. Am 17. August 2025 hat der Ratzeburger Kirchenmusiker Tomke David Buchholz sein Coming-out als Transperson mit einem Gottesdienst und Empfang in der St.-Anna-Kirche in Niendorf an der Stecknitz gefeiert.
“Durch Gottes Gnade, bin ich, was ich bin.”
Sein Posaunenchor aus Ratzeburg war da, viele Freundinnen und Freunde, Familie und Menschen aus dem beruflichen Umfeld. Alle waren gekommen, um mit Tomke David Buchholz sein Coming-out als Transperson zu feiern. In einer evangelischen Messe mit Abendmahl wurde der Kirchenmusiker gesegnet und sein neuer Name genannt. “Wir sind heute hier, um dir den Rücken zu stärken”, sagte Diakon Tobias Maximilian Knöller in seiner Begrüßung.
“Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin” (Kor 1, 15,10) – zu dieser Bibelstelle und dem Evangeliumstext Joh, 8,31-36 ("Wenn euch also der Sohn Gottes befreit, dann seid ihr wirklich frei.") predigte Knöller über den Zusammenhang von Liebe, Freiheit und Wahrheit und warnte vor Ausgrenzung. “Wir sind alle Menschen, die herausfinden wollen, wie Gott sie gemacht hat”, so Knöller. “Du bist geliebt und frei”, sei die wichtigste Botschaft, die wir Menschen mit auf den Weg geben können. Beim anschließenden Empfang vor der Kirche gab es herzliche Gratulationen und viel Zuspruch.
Zeitpunkt für das Coming-out war noch nicht da
Der 27-jährige Tomke David Buchholz macht seit zwei Jahren die Kirchenmusik an der St.-Petri-Kirche in Ratzeburg. Er ist vielen auch bekannt aus dem Gesangbuch-Podcast “Von Pfeifen und Pfaffen”. In seinem bisherigen Leben wurde Buchholz häufig weiblich gelesen. Im Laufe der letzten Jahre wurde ihm klar, dass sich das für ihn nicht richtig anfühlt. Der Zeitpunkt für ein Coming-out sei aber noch nicht da gewesen – bis jetzt. “Ich bin kein anderer Mensch”, sagt Tomke Buchholz.
Coming-out: “Wie ein Buch mit zugeklebten Seiten”
“Es war, als hätte ich ein Buch, in dem einige Seiten zugeklebt sind”, so schildert Tomke David Buchholz sein inneres Coming-out. “Ich habe gemerkt: Erst wenn ich bestimmte Gedanken zulasse, dann bekomme ich die Seiten auseinander und entdecke plötzlich ganz neue Potenziale in mir, die ich vorher nicht gesehen habe.”
“Das Ironische ist, dass ich schon als Kind häufig männlich gelesen wurde”, berichtet Buchholz. “Ich war immer praktisch veranlagt, lief in Jeans und T-Shirt herum – vor 20 Jahren galt das noch eher als ‚typisch Junge'”, erzählt er. “Wobei das natürlich stark stereotyp gezeichnet ist.” Die Tatsache, dass seine Eltern ihn sehr selbstbewusst erzogen, “damit ich überselbstbewussten Männern entgegentreten kann”, half ihm, mit der Außenwahrnehmung seiner Geschlechtsidentität nicht zu sehr zu hadern.
Neuer Name und männliche Pronomen
Sein berufliches Umfeld informierte Tom Buchholz zunächst per E-Mail. Als Transperson sei ihm vor allem eines wichtig: Die Verwendung des richtigen Namens Tomke David Buchholz, oder kurz: Tom, sowie der männlichen Pronomen er und ihn. “Es kann bei Transpersonen sehr viel Stress erzeugen, wenn dieser Prozess der Transition nicht angenommen wird.”
“Die positivste Reaktion ist für mich, wenn direkt der richtige Name verwendet wird”, so Buchholz. “Es ist schön, wenn man sieht, dass die Leute kurz reagieren und es zu Kenntnis nehmen und einfach mitteilen, was sich für sie richtig anfühlt. Ich brauche keinen übertriebenen Zuspruch.”
Persönliche Perspektive in die Arbeit einbringen
Im Alltag werde sich für sein Umfeld nicht viel ändern: “Ich habe in den vergangenen Jahren keine völlig andere Rolle gespielt.” Wichtig ist es ihm, seine ganz persönliche Perspektive weiter in die Arbeit mit einzubringen. “Für Sexismus, Gender-Themen und Gleichberechtigung bin ich einfach stark sensibilisiert. Mir ist es wichtig, dass in meiner Arbeit alle gleich ernst genommen werden”, betont Buchholz. “Dafür eine Atmosphäre zu schaffen, ist mir wichtig, wenn ich an meine Arbeit mit dem Posaunenchor denke.”
Queer-sensible Kirche: Noch ein Weg zu gehen
Gefragt nach seinem Blick auf eine queer-sensible Kirche, sagt Buchholz: “Bei den Segensaktionen vom CSD in Lübeck vor einem Jahr hatte ich das erste Mal das Gefühl: Kirche ist ein Ort, an dem ich als queerer Mensch einfach so sein kann.”
Leider spiele die queere Perspektive in der Kirche an vielen Stellen immer noch keine Rolle. “Ich würde auch sagen, dass ich als queerer Mensch nicht jeden Gottesdienst in der evangelischen Kirche besuchen möchte. Die ‚Kirche für alle‘ sind wir eben noch nicht. Das geht von Sprache und Inhalten bis hin zu den Liedern.”.
Gemeindeleben kann profitieren
Dabei stellt er immer wieder fest, dass der Bedarf an anderen Gottesdienst-Formen durchaus da ist: “Auch queere Menschen haben ein Bedürfnis nach Spiritualität.” Wo das gut gelingt, würde aber das gesamte Gemeindeleben davon profitieren, ist Buchholz überzeugt.
Dennoch ist er sehr dankbar dafür, was schon alles erreicht wurde. "Ich muss allein durch mein Coming-out nicht zum größten Queer-Aktivisten werden. Das habe ich vielen Menschen zu verdanken, die sich vor mir dafür eingesetzt haben.“