Sieben Türme will ich sehen Das war „Ein Fest unter den Türmen – ein Fest für die Türme“

Am Reformationstag (31. Oktober 2018) wurde das „Fest unter Türmen - ein Fest für die Türme“ mit rund 350 Gästen im Dom zu Lübeck gefeiert. Es war eine Dankesfeier an alle bisherigen Unterstützerinnen und Unterstützer des Doms – und der Beginn der Fundraisingkampagne zur Sanierung der Zwillingstürme. Sie müssen aufgrund der Schäden grundlegend saniert werden – die Voruntersuchungen laufen bereits und werden voraussichtlich bis Ende 2019 andauern.

Das Kirchenschiff und der Ostchor des Doms – beide kunstvoll in farbiges Licht getaucht, waren Orte der Feier, an der auch Pröpstin Petra Kallies, Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau, Lienhard Böhning, Schirmherr von „Sieben Türme will ich sehen“ sowie weitere Gäste aus Politik, Tourismus, verschiedener Stiftungen und natürlich des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg teilnahmen.

„Die sieben Türme sind so vertraut im Lübecker Stadtbild, und doch war es nicht immer so“, sagte Dompastor Martin Klatt zur Begrüßung. Er habe vor dem Fest noch einmal ganz bewusst geschaut in Anbetracht der Lübecker Geschichte. „Und ich bin dankbar“.

Helge Adolphsen, der 18 Jahre lang Hauptpastor am Hamburger Michel war und Erfahrung mit der dortigen Turmsanierung und dem nötigen langen Atem dafür hat, begeisterte mit seinem Festvortag „Was Kathedralen für Städte bedeuten“. „Die Menschen in Lübeck haben schon immer gesagt: „Ich will sieben Türme sehen“, so Adolphsen. „Sie wollen sie heil sehen. Türme sind ja nicht nur Landmarken, sondern Wahrzeichen der Stadt. Sie sind aber auch als sichtbare Zeichen der Religion Wahrheitszeichen für den Glauben, der Hoffnungskraft und Lebensmut schenkt“. Der ehemalige Hauptpastor zitierte Pascal Mercier aus seinem Buch „Nachtzug nach Lissabon“: „Ich möchte nicht in einer Welt ohne Kathedrale leben. Ich brauche ihre Schönheit und Erhabenheit. Ich brauche sie gegen die Gewöhnlichkeit der Welt (…) Ich brauche es gegen das geistlose Gebrüll des Kasernenhofs und das geistlose Geschwätz der Mitläufer (…) Ich liebe betende Menschen. Ich brauche ihren Anblick. Ich brauche ihn gegen das tückische Gift des Oberflächlichen und Gedankenlosen.“ Diese Worte würden die Faszination wiedergeben, die alte Kirchen bis heute auf Menschen ausübten. „Sie sind Ander-Orte, anders als alle anderen Orte und Räume. Sie bergen die Sehnsucht nach heiligen Räumen, nach der Schönheit des Lebens und nach Erhabenheit“. Und sie seien Gegenräume gegen architektonisch höchst beachtenswerte Einkaufspassagen, Flughafengebäude, Fußballstadien und gegen die oft viel zu engen Wohnungen. „Orte der Absichtslosigkeit und der Zweckfreiheit, Gnadenorte.“ In den Kathedralen sei das Leben von einst greifbar, die Lebensfreude und den Dank früherer Generationen. „Dafür sind Kathedralen gebaut, diese alten und sprechenden Räume. Nicht für Events und kommerzielle Zwecke. Kirchen müssen nicht nützlich sein. In ihnen können wir die herrlich schöne Zwecklosigkeit und die ebenso herrliche freimachende Absichtslosigkeit erfahren. Beides hat uns Gott zugedacht“.

Eine Kathedrale gehöre keiner Gemeinde: „Bürger dieser Stadt haben den Dom gebaut. Der Dom gehört Gott und darum allen in der Stadt. Er ist ein öffentliches Gebäude. Der Kern der Kirche ist der Glaube. Der schenkt sich uns unverdient. Der ist weder Besitz noch Eigentum, Kathedralen sind es auch nicht“. Der Dom sei offen für alle Gruppierungen der Gesellschaft. Der Drang zu selektieren, auszugrenzen, auszusondern – verbal und handfest – nehme zu. „Kirchen sind auch darin anders. Hier gehören die Reichen und die Obdachlosen hinein. Die, die ihres Glaubens gewiss sind, und die Skeptiker, die Kinder und die Zweifler. Ja, auch die Atheisten und die Suchenden“.

Helge Adolphsen lobte die Gottesdienst-Kultur im Dom: „Wo gibt es das, dass in jedem Gottesdienst beide Pastores zusammenwirken?“. Und das ohne Streit, dafür mit Unterstützung des Organisten und der Küster und der Konfirmanden.  „Eine Gemeindekirche mit einem ganz weiten Herzen unter einem weiten Dach“. Menschen könnten ohne heilige Orte nicht leben – wie Margot Käßmann es schon sagte: „Erst wenn der letzte Bibelvers in der Werbung missbraucht, der letzten Choral verulkt, der letzte Kirchenraum zertrampelt worden ist, dann werdet ihr merken, dass ihr ohne heilige Räume, Worte und Klänge nicht leben könnt.“ Und so sollten alle dagegen etwas tun, dass es so wird: „Weiterbauen, immer weiterbauen. Das Leben vorwärts leben. Und diese Kathedrale weiter lieben und pflegen“.

Hans-Georg Rieckmann, Vorsitzender der Stiftung Dom zu Lübeck, erzählte von den Bildern einer verwüsteten Stadt nach Palmarum 1942, die er sein Leben lang im Kopf hatte: „Einer Stadtsilhouette ohne alle Türme“. Und er erlebte deren Wiederaufbau und den Wiederaufbau des Ostchores und der Paradiesvorhalle im Dom mit. Die Stiftung wurde 1960 mit dem Zweck des Wiederaufbaus gegründet und setzt sich auch jetzt für die Sanierung der Zwillingstürme ein. „Alle zusammen – der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, die Stiftungen und alle Unterstützer – stellen ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten für die beiden Türme zur Verfügung. Aus Liebe für den Dom“, so Rieckmann.

Eine Podiumsdiskussion mit den beiden Dompastoren Margrit Wegner und Martin Klatt, Liane Kreuzer, Chefin der Bauabteilung des Kirchenkreises, Architekt Christoph Diebold und Stadtplanerin Christine Koretzky schloss den offiziellen Teil ab. Am Ende lud Domkantor Klaus Eldert Müller zum Konzert für Sopran, Orgel und Trompete in das Kirchenschiff des Doms.