Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Ökumene-Pastor reist nach Cherson: "Der Wille zum Leben ist ungebrochen"

Ökumene-Pastor Kai Feller ist mit einem Transporter der Kirchengemeinde Lauenburg in die ukrainische Frontstadt Cherson gefahren, um Hilfsgüter zu liefern. Copyright: Kai Feller

Lübeck. Neun Tage reiste Ökumene-Pastor Kai Feller durch die Ukraine. Der Hilfstransport beinhaltete diesmal Feuerlöscher, Verbandskästen und Monitore. Sein Weg führte ihn von Lwiw über Uman und Mykolajiw bis in die schwer umkämpfte Frontstadt Cherson – direkt an der Mündung des Dnipro ins Schwarze Meer. Dort besuchte er ein außergewöhnliches Projekt, das unter anderem mit Spenden aus dem Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg unterstützt wurde: den Umbau eines Luftschutzbunkers in eine Schule mit Internatsbetrieb. 

Hilfstransport und Schulbesuch

„Die Kinder von Cherson haben seit drei Jahren keinen normalen Unterricht mehr erlebt. Kein Klassenzimmer, kein Schulhof, kein Pausenklingeln – nur Sirenen, Drohnen, Online-Unterricht und Fluchtwege“, beschreibt Feller die Lage.

Doch nun soll sich das ändern. Unter Leitung der lokalen Initiative Fellas for Europe entsteht mitten in der Kriegszone eine Schule – tief unter der Erde. „Was wie eine dystopische Filmszene klingt, ist bittere Realität – und zugleich ein Akt der Selbstbehauptung gegen den Versuch, Bildung und Zukunft auszulöschen“, so der Pastor. Der Bunker wird nicht nur Unterrichtsräume enthalten, sondern auch Wohnplätze für Kinder, deren Eltern geflohen oder getötet wurden.

„Und nein, das ist kein Projekt der Hoffnung – sondern eines des nackten Überlebens“, betont Feller. „Aber es ist auch ein Symbol dafür, dass selbst im Angesicht ständiger Bedrohung der Wille zum Leben und Lernen nicht gebrochen werden kann.“

Der Pastor kehrte jetzt mit eindringlichen Eindrücken zurück. „In Cherson sprechen die Menschen längst von einer ‚menschlichen Safari‘. Russische Drohnen kreisen stundenlang über der Stadt und greifen gezielt Menschen an. Kinder haben gelernt, sich totzustellen, wenn sie das Surren hören.“ Täglich gebe es Todesopfer. Die Angriffe zielten auf Vertreibung. 75 Prozent der Bevölkerung haben die Stadt bereits verlassen.

“Ukrainer sprechen von menschlicher Safari”

Auch in als „sicher“ geltenden Regionen ist der Krieg allgegenwärtig. In Lwiw erlebte Feller einen massiven nächtlichen Angriff: „Das Surren der Shahed-Drohnen direkt über meinem Hotel hat mich geweckt. Ich habe mich ins Bad geflüchtet. Eine Drohne traf ein Wohnhaus – 350 Meter entfernt.“ Am nächsten Morgen sprach er mit Überlebenden. Alle hatten im Luftschutzkeller Schutz gefunden. Es war der erste gezielte Angriff auf das historische Zentrum von Lwiw. „Der Angriff galt der moralischen Widerstandskraft der Bevölkerung“, ist Feller überzeugt. 

Pastor erlebt Angriff auf Lwiw mit 

Auf die Frage, wie man in Deutschland helfen könne, antwortet Feller: „Ich habe die Menschen vor Ort gefragt. Ihre Antwort war eindeutig: Helft uns, den Aggressor zu besiegen. Liefert Luftabwehr und Abstandswaffen. Stoppt russisches Flüssiggas und Mineraldünger.“ Europa müsse die Verteidigung der Ukraine als seine eigene Selbstverteidigung begreifen. Denn die Ukraine ist genauso Teil Europas wie Norwegen oder die Schweiz, betont Feller. 

Ein echter Frieden sei nicht in Sicht: „Zuerst muss der Bombenterror enden, dann die Invasion. Russland wird dazu nicht freiwillig bereit sein – es muss wirtschaftlich und militärisch gezwungen werden.“ Ein späterer Friedensvertrag müsse unter anderem auch die Rückkehr verschleppter Kinder, Reparationen und die Anerkennung der ukrainischen Grenzen regeln.