Aumühle Editorial - Grußwort August:


Grußwort August

Vor ein paar Wochen habe ich ein Paar getraut und das war gut. Es ist schön, wenn zwei Leute vor einer Gemeinde und vor Gott auf die Frage nach dem „Lieben und Ehren bis der Tod euch scheidet“ einander tief in die Augen gucken und sagen: „Ja, ich will. Mit Gottes Hilfe!“

Ein bewegender Moment war das. Auch für mich. Dabei war es nicht selbstverständlich, dass es diesen Gottesdienst gab. Denn nur einer der beiden ist „in der Kirche“. Das ist zwar häufig so, eigentlich fast immer. Meist ist es der Mann, der kein Kirchenmitglied ist. Weil er oft mehr verdient und wegen der Steuer. Hinzu kam aber, dass die beiden die Gretchenfrage „nach der Religion“ nicht auf die leichte Schulter genommen haben. Es war eine bewusste Entscheidung für den Segen, den sie über ihre Liebe gesprochen haben wollten. Ohne ihn würde ihnen etwas fehlen.

Es wurde ein schöner Gottesdienst, obwohl es im Vorfeld wild zuging. Eine Viertelstunde vor Beginn erreichten mich noch ein paar Änderungen im Ablauf: Plötzlich kam noch eine Traukerze dazu und einem der beiden war noch wichtig, dass seine Taufkerze auf dem Altar stand. Die Ringe jedoch sollten nun nicht mehr wie abgesprochen vorbereitet auf dem Altar liegen, sondern von den kleinen Neffen während des Gottesdienstes nach vorne gebracht werden. Und es gab noch ein Musikstück mehr als ursprünglich vorgesehen, das nun in die Liturgie eingefädelt werden musste. Auch so etwas kommt gelegentlich vor: Unwägbarkeiten, kurzfristige Änderungen und Überraschungen. Ich hatte einmal eine Trauung, bei der die Braut eine Viertelstunde zu spät kam, und eine andere, bei der man mir vor dem Gottesdienst sagte, dass noch jemand spontan etwas singen wolle. Aber inzwischen ist man ja Profi und kann Bräutigame beruhigen, kurzfristig den Ablauf ändern und alle Mitwirkenden darüber informieren und nebenbei noch gut gemeinten Gesang verhindern.

Nach dem Hochzeitsgottesdienst war ich zur Feier eingeladen. Ich muss dazu sagen, dass ich das Paar seit meiner Studienzeit kenne. So lange sind die Beiden zusammen, bzw. sie sind wieder zusammen. Zwischendurch war das für eine Zeit mal anders. Wie vermutlich bei allen Paaren gab es die berühmten Aufs und Abs, vielleicht auch mal Pausen, in denen sich Dinge zurechtruckeln müssen. Ganz „normal“ also. Ich kenne jedenfalls kein Paar, das schon lange zusammen ist und dabei nicht auch schon einmal in einer tiefen Krise steckte. Umso schöner war es, als sie einander wiederfanden.

Das Fest hat mir gefallen. Es gab einen Sektempfang, Kaffee und Kuchen, Reden, Essen, Tischnachbarn, die ich nicht kannte, und eine Kinderdisco, bevor die Großen die Tanzfläche übernahmen. Es gab einen Hochzeitstanz und die Hochzeitstorte gab es auch – natürlich verbunden mit der Frage, wessen Hand beim Anschneiden oben liegt. Und dann war das Fest vorbei.

Eigentlich ist das alles viel zu „normal“, um hier erzählt zu werden, wenn es nicht ein besonderes Detail gegeben hätte: Die beiden, über deren Liebe ich den Segen gesprochen habe, waren zwei Männer. In diesen Tagen tönt der Chef der Polizeigewerkschaft, queere Menschen würden jedem „ihre sexuelle Orientierung ständig aufdrängen“ wollen, und die Politik redet über „Zirkuszelte“ und Regenbogenfahnen. Da möchte ich innehalten und sagen, dass es bei diesem Symbol nicht um Zirkus und auch nicht ums Aufdrängen von was auch immer geht, sondern um Liebe und um „Normalität“. Es geht darum, das Recht und die Möglichkeit zu haben, ein genauso „normales und spießiges“ Leben zu führen wie alle anderen auch. Es geht um Akzeptanz. Die aber versteht sich wahrlich nicht von selbst, wie mir scheint, sogar immer weniger. Auch deswegen dieser Text!

Deswegen braucht es Zeichen für ein buntes und vielfältiges Leben. Unter Gottes weitem Himmel ist genug Platz dafür für alle.
Um mehr geht es nicht. Aber auch nicht um weniger.
Ihr Pastor
René Enzenauer