Liebe Wohltorfer und Wohlorferinnen,
liebe Aumühler und Aumühlerinnen,
vor ein paar Wochen habe ich einen alten Schlüsselbund wiedergefunden. Er lag in einer dieser berühmten „Irgendwann-sortiereich-dich“-Schubladen, die sich über Jahre unauffällig füllen. Der Schlüsselbund gehörte zu einer Wohnung, in der ich lange nicht mehr war. Als ich ihn in der Hand hielt, wusste ich sofort: Diese Tür gibt es nicht mehr. Der Schlüssel öffnet heute nichts – und trotzdem war er ein kleines Stück meines früheren Lebens.
Ich habe ihn kurz betrachtet, mich erinnert – und ihn dann zur Seite gelegt. Nicht weggeworfen, aber bewusst abgelegt. Ein kleines inneres Nicken: Manche Türen sind abgeschlossen. Und neue warten schon – oft still, oft unauffällig, manchmal erst im Rückblick erkennbar.
Genau in dieser Bewegung befinden wir uns als Gemeinde zu Beginn des Jahres 2026. Die Fusion von Wohltorf und Aumühle ist nun offiziell vollzogen – aber die eigentliche Annäherung, das Zusammenwachsen, das „Wir“-denken hat nicht erst gestern begonnen. Schon im vergangenen Jahr ist viel passiert. Und was ich in der kurzen Zeit, die ich Sie und Euch in Wohltorf und Aumühle nun begleite, wahrnehmen konnte, ist dies: Es wurden Brücken gebaut, Begegnungen gesucht, erste gemeinsame Erfahrungen gesammelt. Vertrauen durfte wachsen – behutsam, aber spürbar. Es wurde gerungen und auch gezittert. Manche waren skeptisch. Viele haben einander neu kennengelernt, Ideen geteilt, Verantwortung aufgenommen, einander zugehört.
Kurz: Die neue Gemeinde ist nicht plötzlich entstanden. Sie hat längst begonnen – mitten im gelebten Miteinander, mit all seinen Höhen und Tiefen. Darum fühlt sich dieser Schritt jetzt vielleicht nicht wie ein Sprung ins Unbekannte an, sondern eher wie das bewusste Betreten eines Weges, den Sie, den ihr schon eine ganze Weile geht.
Und trotzdem bleibt es ein großer Schritt, ein mutiger Schritt – und für manche auch ein Schritt mit gemischten Gefühlen. Denn jeder Wandel berührt etwas in uns: Freude über neue Möglichkeiten, aber auch Abschied von Gewohntem. Beides ist legitim. Beides darf da sein.
Die Jahreslosung spricht direkt in solche Übergänge hinein: „Siehe, ich mache alles neu!“
Dieser Satz ist kein leichtes Versprechen, kein „Alles wird gut“ im Schnellformat. Er lädt vielmehr ein, den Blick zu heben: Dahin, wo Zukunft entsteht. Dahin, wo Veränderung nicht Bedrohung, sondern Entwicklung bedeutet. „Neu“ meint hier nicht, dass das Alte vergessen wäre – sondern dass etwas Weiteres möglich wird. Denn hier entsteht etwas Lebendiges – ein Prozess, der Zeit braucht. Zwei Traditionen, zwei Prägungen, zwei vertraute Welten nähern sich an und entdecken, was sie gemeinsam tragen können.
Dafür braucht es Mut:
Mut, Gewohnheiten zu öffnen. Mut, zuzuhören. Mut, das Eigene einzubringen, ohne es zum Maßstab für alle zu machen. Mut, Neues auszuprobieren, auch wenn man sich noch nicht sicher fühlt. Mut heißt nicht, keine Unsicherheit zu haben. Mut heißt: trotzdem Schritt für Schritt weiterzugehen.
Und Schritt für Schritt beginnt auch eben dieses verheißene „Neue“; in Gesprächen nach dem Gottesdienst, in einem ersten gemeinsamen Projekt, in einer offenen Frage, in der Bereitschaft, das „Wir“ ein bisschen weiter zu denken.
Ich bin mir sicher: 2026 wird ein solches Jahr. Ein Jahr, in dem Sie, in dem Ihr entdeckt, welche Schätze aus beiden Gemeinden in der gemeinsamen Zukunft aufgehen. Ein Jahr, in dem Sie sich Gelegenheiten schenken, sich weiter kennenzulernen – und Raum geben, damit etwas großes Ganzes neu wachsen kann.
Vielleicht nehmen wir uns dafür ein kleines inneres Bild mit: Einen Schlüssel, der einst andere Türen geöffnet hat – und zugleich Hände, die bereit sind für neue Türen. Die Jahreslosung erinnert uns daran, dass Veränderung nicht nur Abschied bedeutet, sondern vor allem Möglichkeit. „Siehe, ich mache alles neu!“
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein Jahr voller Mut, guter Begegnungen und einer hoffnungsvollen Neugier auf das, was entsteht!
Ihre und Eure Pastorin
Tatjana Pfendt-Standhaft