Lübeck. „See me!“ – übersetzt „Sieh mich!“ - ist der Name eines neuen Beratungsangebots der Gemeindediakonie Lübeck. Es richtet sich an Kinder und Jugendliche, die von häuslicher Gewalt betroffenen sind und die damit im übertragenen Sinne mehr „gesehen“ werden sollen.
Allein für Lübeck vermeldet die Polizeiliche Kriminalstatistik im vergangenen Jahr 791 gemeldete Opfer von Partnerschaftsgewalt gegenüber 672 Opfern im Jahr 2021. 468 Kinder und Jugendliche von sechs bis 17 Jahren erlebten 2022 in Lübeck Gewalt am eigenen Leib. Dazu kommen viele nicht gemeldete Fälle.
Neues Projekt der Gemeindediakonie Lübeck
„See me! – Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche bei familiärer Gewalt“ im Beratungszentrum Hüxterdamm der Gemeindediakonie Lübeck will einen sicheren Ort schaffen für Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 18 Jahren, die Gewalt zwischen den Eltern oder gegen sich selbst erlebt haben. Im Rahmen der Beratungsarbeit für die Kinder können auch betroffene Elternteile und Fachkräfte mit beraten werden. Die niedrigschwellige Beratung erfolgt zunächst im Rahmen eines dreijährigen Projekts des Landesjustizministeriums Schleswig-Holstein und umfasst den gesamten Landesgerichtsbezirk Lübeck, also neben der Hansestadt auch die Kreise Stormarn, Herzogtum Lauenburg und Ostholstein.
Verantwortlich für die Beratung ist die 26-jährige Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin (B.A.) Rahel von Marschall. Ihre beruflichen Erfahrungen sammelte sie in einem Frauenhaus, einem Jugendamt und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Im Rahmen ihrer neuen Tätigkeit plant sie eine Weiterbildung zur Trauma-Pädagogin und zur traumazentrierten Fachberaterin. „Zurzeit bin ich viel im ländlichen Raum unterwegs“, so die Neu-Lübeckerin, die in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen ist, „und komme dabei in Jugendzentren mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch. „Ich möchte wissen, was sie sich wünschen und was sie brauchen.“ Auch die eigentliche Fallberatung – stets freiwillig und vertraulich – kann aufsuchend geschehen, das heißt dort, wo sich die Kinder und Jugendlichen wohl fühlen. „Das kann in unserer Beratungsstelle sein oder auch in einem Jugendzentrum, in der Schule oder auf dem Spielplatz“, so Rahel von Marschall.
Vertrauen aufbauen, Sicherheit vermitteln
Vertrauen aufbauen und das Gefühl von Sicherheit vermitteln: Das seien die Grundvoraussetzungen, um die jungen Betroffenen zu stärken. „Es ist wichtig, ihnen Gehör und Unterstützung zukommen zu lassen“, betont Rahel von Marschall. „Sie haben ein Recht darauf, gewaltfrei aufzuwachsen, und sie haben ein Recht darauf, sich zu äußern.“ Die Beratung solle so niederschwellig wie möglich sein und ein erster Schritt „aus der schambehafteten, oft von Schuldgefühlen geprägten Situation“ sein.
„Mit dem diesem Beratungsangebot betreten wir als Gemeindediakonie Neuland“, sagt deren Geschäftsführerin, Diakoniepastorin Dörte Eitel. „Die Thematik ist hochsensibel, fügt sich aber sehr gut in unsere bisherigen Beratungsangebote für Kinder, Jugendliche und Familien ein. Ich bin froh, dass wir mit Frau von Marschall eine so engagierte, junge Mitarbeiterin für diese herausfordernde Aufgabe gewinnen konnten.“
Das Beratungszentrum Hüxterdamm bietet u. a. eine Familien- und Erziehungsberatung und eine Beratung für Jugendliche an. Die Ambulanten Hilfen zur Erziehung sowie das Kinder- und Jugendtelefon Lübeck sind weitere Anlaufstellen für Kinder, Jugendliche und Familien bei der Gemeindediakonie.