Die Jahreslosung – Kapitelüberschrift für ein Jahr
Die Jahreslosung ist so etwas wie die Kapitelüberschrift über ein ganzes Jahr. Aber wer sucht diesen Bibelvers aus und woher stammt diese Tradition? Eine kurze Spurensuche dazu, wie es dazu kam, dass „Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ über dem Jahr 2021 steht.
Woher kommt die Tradition der Jahreslosung?
Die Jahreslosungen sind im vergangenen Jahr 90 Jahre alt geworden. In den späten 1920er-Jahren war der württembergische Pfarrer Otto Riethmüller in der Jugendarbeit tätig. Für das Jahr 1930 suchte er den Vers „Ich schäme mich des Evangeliums von Jesus Christus nicht“ (Röm 1,16) als eine Losung aus. Damit begründete Riethmüller eine Tradition, die bis heute andauert. Obwohl für die Jugendarbeit konzipiert, übernahmen die Evangelischen Kirchen Deutschlands die Jahreslosung bereits 1934, die katholischen Kirchen folgten 1969.
Wer bestimmt die Jahreslosung?
Auch wenn sie vom Namen her an die Herrnhuter Tageslosungen erinnern, werden die Jahreslosungen nicht gezogen. Für die Bestimmung dieses für die christlichen Kirchen wichtigen Verses zeichnet eine Arbeitsgemeinschaft verantwortlich. Die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB), ein Zusammenschluss von derzeit 23 Institutionen deutschsprachiger Christen, erarbeitet außerdem die Monatssprüche und die täglichen Lesepläne, die den meisten Bibellektüreführern zu Grunde liegen.
Wie genau wird die Jahreslosung ausgewählt?
Zu den jährlichen Sitzungen der ÖAB, die am Anfang eines Jahres meistens in Berlin stattfinden, bringt jede der Mitgliedsinstitutionen zwei Bibelverse mit, die sie für geeignet halten. Jeder der Verse wird dann in Ausschussitzungen diskutiert. Nach einer Nacht Bedenkzeit einigt sich das Plenum am Ende auf einen Vers, der in drei Jahren Jahreslosung wird.
Was muss eine Jahreslosung mitbringen?
Jahreslosungen müssen kurz und doch inhaltsträchtig sein. Sie müssen in den Bibelleseplan des jeweiligen Jahres passen und auch außerhalb ihres Zusammenhangs verständlich sein. Sie sollten einen anderen Aspekt als die vorangegangenen Jahreslosungen betrachten. Auf welche Bibelübersetzung die Jahreslosung zurückgeht, wird auch geachtet: Die Einheitsübersetzung und die Lutherbibel sollten ähnlich häufig berücksichtigt werden.
Beliebteste Jahreslosung
Einige Verse sind besonders beliebte Jahreslosungen: Am häufigsten wurde „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim 1,7) gewählt. Der Spruch stand über den Jahren 1933, 1949 und 1984. Aber auch der Vers aus dem 1. Petrusbrief „Auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause und zum heiligen Priestertum" (1935 und 1950) und die Zusage Jesu „ Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende" (1951 und 1999) aus dem Matthäusevangelium wurden häufiger als Jahreslosung bestimmt.