Jugendpfarramt: Freizeiten unter empirischer Lupe

Unter Freunden, ohne Eltern, weg von Zuhause: Kirchenfreizeiten sind für viele Kinder und Jugendliche wichtig. Auch in unserem Kirchenkreis sind Jugendgruppen unterwegs. Die Nordkirche untersucht nun, warum das wichtig ist.

Meist geht es in diesem Sommer Richtung Norden. Wer in das Freizeitangebot des Jugendpfarramtes schaut, sieht Sylt, Dänemark und Schweden als Ziele. Einige Gemeinden zieht es hingegen in den sonnigen Süden, wie die Kirchengemeinde Lauenburg: 14 bis 18 Jährige reisen nach Kroatien. Aber auch vor der Haustür lässt es sich gut mit Gleichaltrigen Urlaub machen.

Bereits für Kinder ab sieben Jahren findet sich eine Freizeit – die Kirchengemeinde Kücknitz fährt ins Christophorushaus in Bäk/Ratzeburg. Nach Groß Zecher fährt die Kirchengemeinde Bugenhagen. Hier können Kinder von acht bis elf Jahren mitfahren.

Alle Freizeiten der Kirchengemeinden finden sich im Programm des Jugendpfarramtes, das über die Internetseite als pdf zum Download bereit steht.

Aber was bringt es den Teilnehmern eigentlich, ausgerechnet mit der Kirche auf große Fahrt zu gehen? Das lässt das Jugendpfarramt der Nordkirche derzeit genauer auswerten: „Evangelische Freizeiten unter der empirischen Lupe“ heißt das aktuelle Forschungsprojekt. Untersucht wird, wie Bildungsprozesse auf Freizeiten durch die Freizeit-Teilnehmer/-innen wahrgenommen werden. Besondere Beachtung finden dabei die Möglichkeiten der Mitbestimmung und Selbstorganisation, die Entwicklung von Sozialkompetenz und Jugendspiritualität.

Während eines Fachtages hat das Jugendpfarramt bereits erste Ergebnisse vorgestellt. Mit dabei waren auch die Verantwortlichen in der Jugendarbeit des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Für Diakonin Nelli Fur ist der empirisch nachgewiesene Zusammenhang zwischen einem hohen Betreuungsschlüssel und der Qualität der Freizeit der spannendste Aspekt. „Also die Frage: wie viele Teamer nehme ich für wie viele Teilnehmer mit,“ so Fur.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes bestärken Jochen Schultz in der bisherigen Arbeit des Jugendpfarramtes. Er leitet gemeinsam mit Bildungsreferent Holger Wöltjen das Jugendpfarramt im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg. „Das Forschungsprojekt belegt, dass die Qualität der Freizeiten maßgeblich von der Qualifizierung der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter abhängt. Das unterstützen wir mit unseren Aus- und Fortbildungsangeboten wie JuLeiCa- und Teamercard- Schulungen und Tagesfortbildungen“, so Schultz.

„Mit oder ohne Ei!“ Wo fängt Mit-Bestimmung an? Dieser und vielen anderen Fragen versuchen Dr. Cora Herrmann und Dr. Ina Bösefeldt mit dem Forschungsprojekt auf den Grund zu gehen. Innerhalb des Forschungsprojektes werden 40 Kinder und Jugendliche aus Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein mit Hilfe von Leitfadeninterviews zu ihren Erfahrungen und Erlebnissen auf Freizeiten der Nordkirche und einer Vergleichsgruppe aus dem Bereich der politischen Kinder- und Jugendarbeit befragt. Ziel ist es, einen Beitrag zur Wahrnehmung dieses hoch partizipativen Bildungsraumes zu leisten. Sommerfreizeiten der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit bieten große Potentiale für selbstbestimmte und selbstorganisierte Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenzen im Rahmen informeller und non-formaler Bildung.

Es fanden zwei Interviewphasen statt: Die erste fokussierte das Camperleben rund um das „Bergfest“, die zweite die Retrospektive. Die leitenden Forschungsfragen zielen auf selbstwahrgenommene Bildungsprozesse der Kinder und Jugendlichen. Die Auswertung folgt den Qualitätsstandards der Inhaltsanalyse. Die Arbeit geschieht in interdisziplinären Teams. Schon die ersten Schritte der Auswertung zeigen, dass die Eröffnung eines Raumes für formelle und non-formelle Bildung in überwiegend Peer-Konstellationen von enormer Bedeutung für die nachhaltige (Weiter-)entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenzen ist. Evangelische Freizeiten sind Spielwiesen und Experimentierfelder für das Erproben von Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Freiheit. Religiöse Bildung in diesen Räumen öffnet die Türen für eine eigene Sprache und eigene Formate. Hier ist ein Suchraum zwischen Vergangenheit (Tradition) und Gegenwart (eigener Verortung).

Holger Wöltjen, Bildungsreferent im Jugendpfarramt ist begeistert von den ersten Ergebnissen. „Evangelische Jugendfreizeiten stellen für junge Leute eine besondere Zeit dar. Freizeiten entrücken die Jugendlichen aus ihrem Alltag und ermöglichen persönliche und spirituelle Erlebnisse“, so Wöltjen. „Gotteserfahrung ereignet sich oft in der Ferne.“