Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Kamele, Porsches und ein zersägtes Cello: 25 Jahre Petrivisionen in Lübeck

Regisseurin Sigrid Dettlof und Pastor Bernd Schwarze feiern in diesem Jahr 25 Jahre Petrivisionen. Copyright: Annkathrin Bornholdt

Lübeck. In diesem Jahr gehen die Petrivisionen an St. Petri in Lübeck ins 25. Jahr. Mit-Initiator Pastor Bernd Schwarze und Regisseurin Sigrid Dettlof blicken gemeinsam zurück auf die Geschichte der nächtlichen Performance-Reihe. Am 6. September 2025 steht die Petrivision unter dem Thema „jung_alt“.

Ein neues Format zu einer ungewöhnlichen Zeit

Es war Sonnabend, der 2. September 2000, um 23 Uhr, als in Lübeck ein neues Format an den Start ging, von dem niemand dachte, dass es sich so lange halten würde. Seit 25 Jahren gehören die Petrivisionen am ersten Sonnabend im Monat fest zur Lübecker Kulturszene. Highlights und Überraschungen gab es viele: von Kamelen in der Kirche, über ein „Schlamm-Monster“, bis zu Porsches auf dem Kirchhof. „Die Magie hält sich über so viele Jahre“, freut sich Bernd Schwarze.

Die Idee, an der Hochschul- und Kulturkirche, eine neue Form eines geistlichen Impulses auszuprobieren, habe schon mehrere Jahre im Raum geschwebt, so Schwarze. Gemeinsam mit dem damaligen Petri-Pastor Günter Harig wurde das Konzept weiter ausgefeilt: „Wir wollten einen ‚Gottesdienst‘ machen, der sich deutlich von dem unterscheidet, was die anderen Kirchen anbieten – und das zu einer ungewöhnlichen Zeit.“ 

Aufwändige Inszenierung mit vielen Überraschungen

Dass daraus Samstagabend um 23 Uhr wurde, hielten viele erst einmal für „bekloppt“ erinnert sich Schwarze. Doch bis heute kommen im Schnitt 250 Menschen zu später Stunde in St. Petri zusammen. Was vor 25 Jahren als schlichtes Programm mit Reden und Musik begann, ist zu einer aufwändigen Inszenierung mit szenischen Lesungen, Installationen und interaktiven Überraschungen gewachsen. Das Publikum ist bunt gemischt, von kirchennah bis kirchenfern. Bernd Schwarze und Regisseurin Sigrid Dettlof beschreiben es als „neugierig, interessiert und dankbar“. 

Impulse unterschiedlicher Generationen 

An jeder Petrivision wirkt ein interdisziplinäres, sich immer wieder wandelndes Team mit. Wissenschaftler:innen, Studierende und Kreative von den Lübecker Hochschulen, aus Kultur, Musik und Kirche im Alter von 25 bis 80 Jahren kommen zusammen. „Manche Themen werden in den unterschiedlichen Generationen unterschiedlich betrachtet. Durch die jungen Wissenschaftler:innen und die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen kommt viel Diskussion rein“, berichtet Sigrid Dettlof, die in Lübeck auch das Theater Combinale leitet. Sie wirkt seit 20 Jahren an den Petrivisionen mit – feiert in diesem Jahr also auch ihr eigenes Jubiläum. „Es gab auch Phasen, in denen es weniger Impulse gab, aber nach Corona hat es wieder einen Kick bekommen.“

Keine Probe und nur vier Wochen Vorlauf

Mit dem Thema „Schöpfung“ ging es vor 25 Jahren los. Jede Reihe hat einen Schwerpunkt zu dem acht bis neun einstündige Unterabende mit jeweils drei Wortbeiträgen inszeniert werden. In der aktuellen Reihe geht es um „Realitäten“. Das Besondere: Jeder Abend wird in nur vier Wochen geplant. Es gibt keine Generalprobe. „Es entsteht ein Flow, wenn alles stimmt. Und das mit dieser kurzen Vorlaufzeit und ohne eine Probe“, sagt Schwarze. Er kenne oft nur seinen eigenen Redebeitrag. Die große Kunst ist die Punktlandung zur magischen Stunde um Mitternacht, was auch meistens klappt. Danach gibt es bei einem Getränk Raum zum Austausch. 

Unvergessliche Bilder und Gänsehautmomente 

Sigrid Dettlof und Bernd Schwarze haben viele Bilder und Gänsehautmomente vergangener Petrivisionen im Kopf. In der Reihe „Andere Orte“ wurden mitten im Winter zwei Kamele durch die Kirche geführt: „Und die haben gekackt!“, lacht Schwarze. Beim Thema „Schöpfung“ gab es ein Becken mit Moorwasser und Schilf, in dem ein Schauspieler nur mit Lenden-Schurz bekleidet ausharren musste, um dann im richtigen Moment als Ur-Mensch aus der braunen Masse aufzutauchen. Mal gab es eine Tänzerin, die sich selbst aus einem Ei befreite, es gab Akrobatik am Seil und eine Schauspielerin, die mit Springerstiefeln Gläser zertrat und Besuchende damit an die Grenzen brachte. 

Bei einem Abend zum Thema Neid parkte ein Autohaus zwei Porsches mit brennenden Scheinwerfern direkt vor dem Kircheneingang. „Am nächsten Tag mussten sie abgeschleppt werden, weil die Batterien leer waren“, schmunzelt Schwarze. Sigrid Dettlof erinnert sich, wie ihr Mann bei einem Abend über den Propheten Amos ein defektes Cello zersägte: „Erst die Saiten, dann den Steg. Die Leute haben es kaum ertragen.“

Theologische Impulse und Weiterdenken

Dass die Petrivisionen ihrem Publikum auch theologisch und religions-philosophisch etwas zumuten, gehört zum Konzept. Immer aber gebe es einen geistlichen Impuls, der deutlich hörbar ist, so Schwarze. „Wir geben ihnen ein kleines Universum an Anregungen zum Weiterdenken mit.“

In zwei Jahren geht Schwarze in den Ruhestand. Den „Platzhirsch“ wird er nicht machen, sagt er. Bereits jetzt ist Pastorin Lilly Schaack fester Teil der Petrivisionen. Es werde dran gearbeitet, dass das Format erhalten bleibt, sagt Schwarze, aber: „Es darf aber auch passieren, dass es in ein paar Jahren heißt: Es war ein tolles Format, doch jetzt ist Zeit für neue Ideen.“

„Ich würde mir wünschen, dass es als Gesprächsformat für die Vorbereitenden erhalten bleibt und sich weiterentwickelt“, so Sigrid Dettlof. Sie schätzt die Verständigung zwischen den Generationen und Disziplinen. „Vielleicht gibt es ja sogar irgendwann auch ein visionäres Format, das übergreifend an den Innenstadtkirchen entsteht.“

Die nächste (Jubiläums-)Petrivision findet am 6. September 2025 um 23 Uhr in St. Petri statt und steht unter der Überschrift „jung_alt“. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird geben.