Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Propst Graffam zu Karfreitag: Jesus hatte Angst!

Der Lauenburgische Propst Philip Graffam schreibt seine Gedanken zum Karfreitag. Copyright: Guido Kollmeier

Philip Graffam, Propst im Herzogtum Lauenburg, schreibt zum Karfreitag:

Kennt Gott keinen anderen Weg?

Jesus hat Angst. Ja, Jesus hatte Angst vor seinem Tod. Das ist auch nicht verwunderlich. Er war ja höchstens dreißig Jahre alt; er fühlte einen wichtigen Auftrag – und er hatte Familie und Freunde, denen er nahe war. Warum kennt Gott keinen anderen Weg, könnte er sich gefragt haben.

So frage ich es mich auch manchmal am Karfreitag: Kennt Gott keinen anderen Weg? Aber Jesus stirbt und hat nicht nur Schmerzen, sondern auch Angst.

 Wenn ich einmal sterben muss, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein." So dichtete einst Paul Gerhard in seinem Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ (Strophe 9). Kann Jesu Angst uns bei unseren Ängsten helfen?

Ja, vielleicht. Jesu Ängste sind etwas Besonderes, wenn wir genau hinhören und seine Worte auf uns wirken lassen. Eins macht Jesus nämlich nicht, nachdem er verhaftet, gefoltert und hingerichtet wurde. Jesus stellt Gott nie infrage. Das ist schon außergewöhnlich. Jesus fragt und ruft und schreit sogar nach Gott; aber Gott bleibt selbstverständlich für ihn. Jesus hat Angst, ja, vielleicht auch große Angst – aber immer bleibt er dabei wie eingebettet in sein Gottvertrauen. Immer scheint Jesus zu wissen, dass Gott da ist. Auch Jesus versteht Gott nicht. Aber er leugnet ihn nicht. Für Jesus ist Gott selbstverständlich – auch wenn Gott am Karfreitag ganz finster ist für ihn.

Dieser Rest Gottvertrauen ist größer als die Ängste. Er mag an Gottes Tun gezweifelt haben, aber nicht an Gott selbst. Darum konnte er dann auch sagen (Lukas 23,46): In deine Hände befehle ich meinen Geist.

Damit Ängste nicht überhandnehmen

Das wünsche ich mir auch sagen zu können. Ich werde bestimmt Angst haben, wenn der Tod nahekommt. Und so wünsche ich mir diesen kleinen Rest an Gottvertrauen; uns allen wünsche ich das. Immer. Zu jeder Stunde. Damit die Ängste nicht überhandnehmen. Und wir mit einer gewissen Tapferkeit oft sagen können: Gott, ich verstehe Dich nicht, aber sei bitte bei mir. Wie Du bei Jesus gewesen bist. Du, Gott, bist größer als die Angst.