Pröpstin Frauke Eiben schreibt Ihre Gedanken zur Jahreslosung 2017: 2Wir brauchen ein Herz, das die Welt versteht und einen Geist, der begeistert und nicht langweilt oder ängstigt."
„Postfaktisch“ war das Wort des Jahres 2016. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat es im Rückblick auf die vergangenen Monate gekürt und gibt damit einen Ton wieder, mit dem die Krisen und Katastrophen des zurückliegenden Jahres gedeutet wurden: unsachlich, populistisch, sich von Gefühlen und nicht von Fakten leiten lassen – und ohne eine Spur von Selbstkritik. Aus dieser unguten Mischung entsteht eine „Nicht-Wissen-Wollen-Welt“ , in der es darum geht, sich von der eigenen Gestimmtheit leiten zu lassen: von Schlagzeilen, Ängsten und Posts in sozialen Netzwerken …..
Nun haben wir ein neues Jahr betreten. Unser Leitwort 2017 ist ein Bibelwort, das mit uns nach vorne schaut und uns anstößt unsere Wirklichkeit in seinem Licht zu deuten. Halt und Haltung will es geben, wenn wir ins Neue Jahr gehen, als Prophylaxe gegen Selbstgerechtigkeit und Kleinmut.
Der Prophet Hesekiel schreibt im 36. Kapitel:
Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.
Diese Ermutigung richtet der Prophet an Menschen die im Exil lebten und ihre Heimat verloren hatten 590 Jahre vor Christus. Heute richten sich diese Worte an uns, im Jahr 2017, die wir verunsichert sind von reißerischen Deutungen unserer Wirklichkeit und voller Sorge auf das Miteinander in unserer Welt blicken – auf Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und des Lebens.
Was für ein wunderbares Geschenk, gerade zur rechten Zeit: Ein neues Herz und ein neuer Geist. Beides Gabe unseres Gottes. Wenn wir es wollen, beginnen wir das neue Jahr mit einem neuen Herzen: einem, das sich berühren lässt, fühlt, denkt, liebt, sich etwas ans Herz gehen lässt, sich erweichen lässt und barmherzig ist und warmherzig.(auf das wir die Hand legen, und es am rechten Fleck haben).Das alte Herz ist sklerose-gefährdet. Es verkalkt, versteinert, ist eng geworden, Gefäßverschluss befürchtet. Und alles, was eng ist macht Angst.
Es ist gut, wenn wir in regelmäßigen Abständen auf unsere Herzensgesundheit achten und unser Organ erfrischen lassen. Denn wer wäre gefeit davor, dass sich Verhaltensmuster einschleichen, die unser Herz krank machen. Ich schenke euch ein neues Herz, sagt Gott uns zu. Fang noch mal an. Ich schenke euch mit diesem neuen Jahr einen Neuanfang, einen Neustart. Und damit dieses neue Herz im Takt bleibt, erhalten wir sozusagen als „Software“/Betriebssystem einen neuen Geist aus Gottes Hand. Nicht den Geist der Furcht sondern der Kraft, und der Liebe und der Besonnenheit.
Unser menschliches Herz ist einfach zu anfällig und träge in einen alten Modus zurückzufallen, in dem Lügen, Trägheit, falsches Zeugnis und postfaktische Gedanken verunreinigen. Jesus hat davor gewarnt und gesagt: "aus dem Herzen können böse Gedanken kommen: Mord, Ehebruch, Unzucht, Dieberei, falsche Zeugnisse und Lästerungen; diese Dinge sind es, die den Menschen verunreinigen“ (Mat. 15,19ff).
Deshalb hat Gott schon lange dem Volk Israel das neue Herz und den neuen Geist versprochen: "Ich werde euch ein neues Herz geben und euer Inneres mit neuer Geistkraft erfüllen. Das steinerne Herz will ich aus eurem Körper herausnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Meine Geistkraft will ich in eure Mitte geben und euch zu Menschen machen, die meinen Bestimmungen folgen und mein Recht bewahren und verwirklichen. (Ez.36,26f).
Immer wieder macht Gott seinen Menschen dieses Angebot – das Kind in der Krippe, Jesus Christus, hat wie kein anderer die Herzen und Sinne erneuert und uns an den Geist der Nächstenliebe und Versöhnungsbereitschaft erinnert. Es ist unsere Aufgabe dieses Geschenk immer wieder neu zu entdecken und zu ergreifen. Und das bewirkt mehr als jeder gute Vorsatz.
„Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott“, sagte Martin Luther. Er hat im Ringen um seinen Glauben und seine Kirche genau das erfahren, dass Gott ihm ein neues Herz schenkt und die Angst verjagt. Das hat sein Leben und unsere Kirche - auch unser Land - von Grund auf verändert. 2017 - im 500. Jubiläumsjahr der Reformation - können wir uns darauf nicht ausruhen. Luther ist kein Heiliger, aber ein Mutmacher. Sein Zeugnis erinnert uns daran, dass jede Generation, jede Gesellschaft, unsere Kirche und wir selbst zu ständiger Erneuerung gerufen sind.
Das können wir nicht einfach machen – und das fällt uns heutigen Menschen vielleicht am schwersten – wir können unser altes Herz nur hinhalten und Gott bitten: mach es neu. Schenke mir einen neues Herz und einen neuen Geist – mach aus mir ein Werkzeug deiner Liebe.
In der Katastrophe, die der Prophet Hesekiel erlebte, traute Gott seinem Volk einen neuen Anfang zu. Er hört damit nicht auf. Er traut ihn auch uns zu, in den Unübersichtlichkeiten des Lebens. In unseren persönlichen Bezügen, im Miteinander in unsrem Land und in der Weltfamilie. Und auch in seiner Kirche, vielleicht gerade hier, sind wir bedürftig nach neuen Herzen und einem neuen Geist.
Seit Jahren sind wir beschäftigt mit uns selbst. Fusionen der Kirchenkreise, der Landeskirchen, mancher Gemeinde mit allem was daran hängt: mit Sorgen und neuen Gesetzen, dem Einüben gemeinsamer Wege. Manches davon hat uns im vergangenen Jahr beschäftigt und ich finde vieles ist gut geglückt. Ich hoffe allerdings, dass die Aufnahme der Domkirchengemeinde in den Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg für lange Zeit ein Abschluss der Neustrukturierung unserer Nordkirche sein möge. Denn wir brauchen unsere Kraft und unsere Herzen nicht nur für innerkirchliche Strukturen sondern um gemeinsam das Evangelium weiterzusagen, Salz der Erde und Licht der Welt. Und Sie alle wissen in wie vielen Situationen das nötig ist.
Wir brauchen ein Herz, das die Welt versteht und einen Geist, der begeistert und nicht langweilt oder ängstigt. Wir brauchen ein mutiges Herz, das für Gerechtigkeit schlägt und eintritt und ein denkendes, das uns davor bewahrt in Richtigkeiten zu erstarren.
Ich bin guten Mutes, dass Gott mit uns geht und uns Herz und Geist neu schenkt, wenn wir ihn darum bitten. Aber: Wir bekommen weder das eine noch das andere allein, denn auf das und kommt es an:
Herz und Geist
Halt und Haltung gibt es nur im Doppelpack.
Und das ist ein Segen.