Wenn Elisabet Spieß zum 1. Oktober in den Ruhestand geht, blickt sie auf 38 Jahre Berufsleben als Erzieherin und Leiterin der Evangelischen Kindertagesstätte St. Gertrud zurück. Sie hat bis 65 durchgehalten- nicht selbstverständlich in ihrem Beruf.
Wenn Elisabet Spieß zum 1. Oktober in den Ruhestand geht, blickt sie auf 38 Jahre Berufsleben als Erzieherin und Leiterin der Evangelischen Kindertagesstätte St. Gertrud zurück. Sie hat bis 65 durchgehalten- nicht selbstverständlich in ihrem Beruf. „Viele müssen vorher aufhören, weil die Belastungen zu groß sind“, weiß sie. „Man muss auf sich achten“, sagt die Mutter eines Sohnes und zweier Enkelkinder, „seinen Ausgleich in der Familie suchen. Und natürlich Spaß an seinem Beruf haben!“
Den hatte die gebürtige Schwedin. Nie erzählt sie von den Kindern in ihrer Einrichtung – die sie in der mittlerweile zweiten Generation erlebt hat - , ohne diverse Anekdoten zum Besten zu geben. Zum Beispiel habe ein Kind hat neulich einer Kollegin eine Blume geschenkt und zu ihr gesagt: „Weil du so nett bist.“
Komisches, Berührendes und auch Trauriges hat Elisabet Spieß gemeinsam mit ihrem Team, den Kindern und Eltern erlebt. Auch wenn die Kita in der Nähe des Stadtparks in einem gut situierten Einzugsgebiet liegt, bewahrt das die Kinder nicht vor schmerzhaften Erfahrungen. „Oft müssen wir fast schon Familientherapeuten sein“, meint Elisabet Spieß. Trennungen, der Tod eines Elternteils oder eines Geschwisterkindes würden in die Kita hereingetragen – verbunden mit ganz besonderen pädagogischen Herausforderungen für die Mitarbeitenden. Hinzu kämen die ohnehin gestiegenen Ansprüche der Eltern, die nicht nur den Bildungsauftrag voll erfüllt sehen wollten. „Erziehung aber beginnt im Elternhaus, die Eltern sind hauptverantwortlich“, betont die scheidende Kita-Leiterin, die sich selbst im Übrigen als „Vorschullehrer“ betrachtet. „In Schweden und in anderen skandinavischen Ländern ist unser Beruf höher geschätzt“, stellt Elisabet Spieß fest. „Da ist es ein akademischer Beruf. Erzieher und Grundschullehrer studieren in den ersten zwei Jahren zusammen. Aber das würde hier zuviel Geld kosten – man will ja Pädagogik zum Nulltarif.“ Wenn Elisabet Spieß erzählt, wird schnell klar: Sie ist ein herzlicher und liebevoller Mensch, aber sie ist auch streitbar und sagt, was ihr nicht gefällt. Die Arbeitsbedingungen und das öffentliche Bild von Erzieherinnen zum Beispiel. „Es hat mich immer geärgert, dass wir nicht streiken dürfen“, sagt sie.
Letztlich hätte sie aber nie etwas anderes machen wollen. „Wir haben hier auch viel zu lachen mit den Kindern“, meint sie 65-Jährige, „und wir Mitarbeitende verstehen uns sehr gut. Auch mit den Eltern. Man kann mit ihnen sprechen.“ Dennoch freut sich Elisabet Spieß auf ihren Ruhestand. „Ich möchte die Seele baumeln lassen, einfach mal in den Tag hineinleben“, stellt sie sich vor, und im nächsten Atemzug: „Ich will mein Haus aufräumen.“ Viel spazieren gehen mit ihrem Mann will sie, mal wieder nach Schweden fahren. Sich um die Familie und um Freunde kümmern, denn: „Man hat Vieles vernachlässigt“. Am Erntedank-Sonntag, dem 2. Oktober, laden die Evangelische Kirchengemeinde St. Gertrud und die Kindertagesstätte alle Interessierten zur Verabschiedung ein. Geplant sind ein Familiengottesdienst ab 10 Uhr in der St.-Gertrud-Kirche sowie ein anschließendes Fest mit Clown und Hüpfburg.