Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Kreuzweg in Lübeck: "Als Christen sind wir niemals allein"

Mehrere hundert Christinnen und Christen waren beim ökumenischen Kreuzweg in Lübeck am Karfreitag mit dabei. Die Prozession führte von St. Jakobi zum Jerusalemsberg. Copyright: Steffi Niemann

Lübeck. Mehr als 500 Christinnen und Christen gingen am Karfreitag in verbundener Tradition den Ökumenischen Kreuzweg Lübeck – beginnend an der St.-Jakobi-Kirche Lübeck bis hin zum Jerusalemsberg. An fünf Stationen sprachen Erzbischof Dr. Stefan Heße, Kristina Herbst, Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Marita Glöckner, Leitung der Lübecker Utkiek-Schule, Journalist Matthias Baerens sowie Kirsten Fehrs, die amtierende EKD-Ratsvorsitzende und Bischöfin des Sprengels Lübeck und Hamburg, zum Thema „Was eint“. Auch Lübecks Pröpstin Petra Kallies und Pastor:innen aus dem Kirchenkreis nahmen an der Prozession teil.

Gott ist näher als jemals zuvor

„Der Schmerz der Welt schreit zum Himmel“, sagte Kirsten Fehrs auf dem Jerusalemsberg. „Mir gehen sie alle ans Herz, die in diesen Tagen und in diesem Moment gequält, gefoltert, verhöhnt, entwürdigt, gekidnappt, in Kellern gefangen, unschuldig ermordet werden“. Und die, die auf der Flucht seien und ihre Kinder sterben sehen müssten. „Furchtbar, was Menschen im Moment in Kriegen aushalten“. Dieser Schrei sei ein einziger Protest der Verlassenheit, ein Protest gegen eine Stille, die verschweigt, was Menschen einander antun können. „Doch der Schrei ist ein lauter Schrei und Gott hat uns nicht verlassen. Im Gegenteil, er selbst ist es, der an Karfreitag gestorben ist, der durstig ist nach Gerechtigkeit. Gott ist uns jetzt so nahe, mehr denn je. Gott ist in unserer Angst, er ist in unserer Ohnmacht und er ist in unserem Schmerz. Das Kreuz ist das große Trotzdem des Mitgefühls“. Karfreitag sei ein einziges Plädoyer gegen die Abstumpfung und das Verstummen, so Fehrs. 

Was eine und was Mut mache in diesen Zeiten, fragte Landtagspräsidentin Kristina Herbst am Burgtor: „Angesichts des Weltgeschehens zu verzweifeln, ist menschlich. Wir haben das Gefühl, all dies nicht bewältigen zu können. Doch hier kommt unser Glaube ins Spiel. So wie die vier Lübecker Märtyrer den Nationalsozialisten trotzten und Kraft aus ihrem Glauben schöpften, so können wir das auch. Als Christen sind wir niemals allein“. Auch wenn ihnen Angst gemacht werde, so kennen sie keinen Zweifel und kein Zögern, wenn es um die Werte der Freiheit geht. „Und das eint uns.“
 

Von der Spaltung der Gesellschaft, die bis in Freundeskreise und sogar Familien reiche, sprach Erzbischof Dr. Stefan Heße an St. Jakobi: „Das, was vor Jahren unvorstellbar war, zieht einen Riss durch unsere Beziehungen“. Und doch gebe es die grundlegende Sehnsucht nach Einheit und Zusammenhalt, wie die unzähligen Demonstrationen gegen Rechts bewiesen. „Das Kreuz zeigt uns die Dimensionen, die zusammen eine Einheit bilden: Oben und unten, links und rechts. Alles gehört zusammen“. 

Marita Glöckner von der Lübecker Utkiek-Schule sprach von ihrem Alltag als Lehrerin und wie schwer es heute für viele Kinder wäre, Halt zu finden. „Es geht hier nicht um politische, kulturelle oder finanzielle Unterschiede, sondern um die Befriedigung des Grundbedürfnisses nach der sicheren Bindung im Elternhaus“. Nicht alle Kinder fänden diese in ihrem Zuhause, durch die eigene Überforderung und Belastung der Eltern. In der Schule Bindung und Bildung gleichermaßen zu vermitteln sei eine wichtige Aufgabe von heutigen Pädagog:innen. „Was eint, ist Erfahrung und erfahrbare Gemeinschaft.“

Beziehungen auf Augenhöhe einen

Der Journalist Matthias Baerens, gebürtig und aufgewachsen in Schwerin, fragte nach der Einigkeit, die direkt nach der Wende vor 35 Jahren herrschte: „Wo ist diese Aufbruchsstimmung hin?“ Schon bald wäre damals aus Euphorie beidseitige Distanz geworden. Er wünsche sich authentischere Begegnungen auf Augenhöhe, „Beziehungen von Menschen, die unterschiedlich sind – so wie in Martin Bubers Buch: „Ich und Du“. Es gehe darum, Menschen nicht auf ihre Eigenschaften zu reduzieren, sondern als ganze Wesen zu respektieren und aufrichtig zuzuhören. „Das eint.“