„Was ist Wahrheit?“ war die zentrale Frage des diesjährigen Kreuzwegs in Lübeck (14.04.2017). Rund 700 Christen gingen die „Via Dolorosa“ mit Bischöfin Kirsten Fehrs, Erzbischof Dr. Stefan Heße, Pröpstin Petra Kallies, Propst Christoph Giering sowie Lübecker Pastoren der Frage nach.
„Was ist Wahrheit?“ war die zentrale Frage des diesjährigen Kreuzwegs in Lübeck (14.04.2017). Rund 700 Christen gingen die „Via Dolorosa“ mit Bischöfin Kirsten Fehrs, Erzbischof Dr. Stefan Heße, Pröpstin Petra Kallies, Propst Christoph Giering sowie vielen Lübecker Pastorinnen und Pastoren dieser Frage nach. Von St. Jakobi über das Burgtor zum Gustav-Radbruch-Platz, weiter zur Jugendherberge und zum Schlusspunkt hinauf auf den Jerusalemsberg vor dem Relief „Jesus stirbt am Kreuz“. Der diesjährige Kreuzweg war eine von vier gemeinsamen Veranstaltungen im Rahmen des Ökumenischen Reformationsgedenkens „2017 gemeinsam unterwegs -Gottesdienst feiern“.
Erzbischof Heße erinnerte an der ersten Station vor dem Relief „Jesus steht vor Pilatus“ an der Jakobikirche an die Verurteilung Jesu durch den römischen Statthalter. „Die Wahrheit spielt keine Rolle, sondern die aufgeheizte öffentliche Meinung hat das Sagen. Jesu Leiden beginnt mit einer ungerechten Verurteilung“, so Heße. Auch heute, 2000 Jahre nach diesem Schuldspruch, warnte der Erzbischof vor negativer Stimmungsmache mit den so genannten „alternativen Fakten“. „Wenn wir als Christen das Leiden Christi betrachten, ist das auch eine Aufforderung an uns, auf die wirklichen Fakten zu bauen und uns für die Wahrheit einzusetzen“, plädierte der Erzbischof in seiner Ansprache.
An der zweiten Station, dem Burgtor, gedachte Ministerpräsident a. D., Björn Engholm, den vier Märtyrern, die an dieser Stelle im Gefängnis saßen und auf ihre Verurteilung warteten. „Sie gingen dem Tod entgegen und – wie Jesus – dem Schöpfer entgegen. Sie bekannten sich zur Freiheit, zur Liebe und Nächstenliebe, zur Barmherzigkeit und Toleranz. Nur wenige haben den Mut besessen, das Kreuz auf sich zu nehmen. Sie haben uns den Glauben an das Gute wiedergegeben“.
Lutz Jedeck, Pastor an St. Jakobi, erzählte am Gustav-Radbruch-Platz, wie Martin Luther sich von seinem Glauben an den zürnenden Gott befreite: „Es dauerte viele Jahre, sich von seiner selbstzerstörerischen Angst vor Gott zu lösen. Loslassen ist schwerer als Festhalten. Nach vielen inneren Kämpfen hat Luther möglicherweise den Weg von Jesus verstanden: Gott nicht aus den Augen zu verlieren. Der Glaube an Gott überwindet die Angst“.
Pröpstin Petra Kallies und ihr katholischer Kollege. Propst Christoph Giering, fragten gemeinsam an der Jugendherberge nach der Wahrheit: „Worauf ist heute noch Verlass? Manche meinen, wer spottet, hat immer recht. Was ist Wahrheit, jenseits der Hemmschwelle von Satire? Und was ist mit uns? Bin ich wahrhaftig?“.
Bischöfin Kirsten Fehrs beendete den Kreuzweg auf dem Jerusalemsberg. „Gemeinsam haben wir die Last des Kreuzes gespürt, die Last und den Schmerz von Jesus damals. Und die Not von so vielen heute, die Opfer sind von Unrecht, Gewalt und Terror. Das alles ist furchtbar wahr. Es ist furchtbar, dass Kinder in Syrien durch Giftgas unter den Händen wegsterben! Dass koptische Christen während eines Gottesdienstes einem Sprengstoffattentat zum Opfer fallen. Dass in Stockholm und Petersburg mörderische Anschläge verübt und damit auch Demokratie und Freiheit attackiert werden. Aber auch das ist die Wahrheit: dass in Jesu Tod nicht nur furchtbarer Schmerz liegt, sondern die Kraft, den Lebensfeinden zu widerstehen.“
Hintergrund: Der Lübecker Kreuzweg wurde 1493 auf Wunsch des Kaufmanns Hinrich Konstin angelegt und gilt damit als der älteste in Deutschland. Nach der Reformation geriet der Kreuzweg in Vergessenheit, erst 1994 entdeckte ihn der katholische Lübecker Propst Helmut Siepenkort (1937-2007) per Zufall wieder und belebte die Tradition neu. Seit 2003/4 gehen und beten katholische und evangelische Christen den Kreuzweg gemeinsam.
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