Am Karfreitag, 14. April 2017, begingen evangelische und katholische Christen wieder gemeinsam Deutschlands ältesten Kreuzweg. Beginn war um 10 Uhr an der St. Jakobikirche Lübeck. Thema war in diesem Jahr die Frage „Was ist Wahrheit?“.
Am Karfreitag, 14. April 2017, begingen evangelische und katholische Christen wieder gemeinsam Deutschlands ältesten Kreuzweg. Beginn war um 10 Uhr an der St. Jakobikirche Lübeck.
In diesem Jahr wurde die Frage „Was ist Wahrheit?“ in Kurzpredigten an den fünf Stationen der „Via Dolorosa“ beleuchtet – von Bischöfin Kirsten Fehrs, Pröpstin Petra Kallies, Erzbischof Dr. Stefan Heße, Pastor Lutz Jedeck (St. Jakobi Lübeck), Propst Christoph Giering (Herz Jesu Lübeck), Ministerpräsident a. D. Björn Engholm, Friederike C. Kühn (Präses IHK zu Lübeck) und Dr. Arno Probst. Die Liturgie des Kreuzweges gestaltete Pastorin Kathrin Jedeck. Die Besonderheit des Kreuzweges ist die ökumenische Tradition: Seit Jahren pilgern evangelische und katholische Christen die fünf Stationen von St. Jakobi, Burgkloster, Gustav-Radbruch-Platz, Jugendherberge bis zum Jerusalemsberg. In diesem Jahr war der Kreuzweg eine von vier gemeinsamen Reformationsgedenken der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, des Erzbistums Hamburg und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Schleswig-Holstein.
Zum ersten Mal in diesem Jahr dabei war Propst Christoph Giering: „Ich bin gespannt! Der Kreuzweg ist ja kein Spaziergang - sondern er ist geistlich geprägt und beschäftigt sich mit dem Leiden Jesu. Und die Frage nach „Was ist Wahrheit“ lässt sich aktuell auf unsere Zeit anwenden. Wir leiden, wenn Wahrheit nicht geachtet wird. Und es bleibt auch die Frage: Muss man sich Wahrheit erkämpfen?“ Von Fake-News in postfaktischen Zeiten spricht Björn Engholm vom Thema Wahrheit: „Wir erleben jeden Tag, wie die Wahrheit verdreht wird“. Pastor Lutz Jedeck sagte: „Wahrheit war eine zentrale Frage von Luther. Wir versuchen immer ein Thema der Zeit für den Kreuzweg zu finden“.
Und: Lutz Jedeck übergab Kollekten in Höhe von 4046 Euro an Klaus Puschaddel, dem stellvertretenden Stadtpräsidenten Lübecks. „Dieses Geld ist für die Sanierung des Reliefs an der letzten Station auf dem Jerusalemsberg, das die Kreuzigung Jesu zeigt“. Das Relief ist Eigentum der Stadt - die Kirchengemeinde St. Jakobi möchte das Relief aber nicht weiter verfallen lassen. „Für alle Eventualitäten haben wir die Summe auf 7.000 Euro aufgerunden“, so Jedeck.
Foto: oben: Björn Engholm, Klaus Puschaddel, Friederike C. Kühn, Lutz und Kathrin Jedeck sowie Christoph Giering.
Hintergrund „Lübecker Kreuzweg“:
Kirchenhistoriker halten ihn für den ersten deutschen Kreuzweg: Der Weg von der Jakobi-Kirche zum Jerusalemsberg ist mit 1.650 Metern exakt so lang wie die „Via Dolorosa“ in Jerusalem. Diese Strecke soll Jesus nach seiner Verurteilung durch Pontius Pilatus bis zum Ort der Kreuzigung gegangen sein.
Der Kaufmann Hinrich Konstin hatte im 15. Jahrhundert eine Pilgerreise nach Jerusalem unternommen. Er starb 1482 kinderlos und verfügte in seinem Testament, dass von seinem Vermögen ein Kreuzweg gebaut werden sollte. Dieser wurde 1493 fertig gestellt. Noch heute erinnern „Konstinkai“ und „Konstinstraße“ an den Stifter.
Der Kreuzweg beginnt an einem Relief der evangelischen Jakobi-Kirche: „Hir beginet de crucedracht Christi bute de borchdare to Jherusale“ (Hier beginnt die Kreuztragung Christi durch das Burgtor zum Jerusalemsberg) lautet die Inschrift. Vor den Stadtmauern hatte Konstin den Jerusalemsberg aufschütten lassen. Hier an der Konstinstraße sieht man heute neben dem Brahms-Institut einen rund vier Meter hohen Hügel. Ursprünglich muss er höher gewesen sein, denn die Franzosen hatten während ihrer Belagerung 1813 einen Teil abgetragen. 17 stattliche Eichen umrahmen das Denkmal mit der Kreuzigung Jesu.
1994 an schlossen sich zwanzig Gläubige dem damaligen katholischen Propst Siepenkort an, um gemeinsam dem von ihm neu entdeckten Kreuzweg zu gehen und neu zu beleben. Im Laufe der Jahre wuchs diese Tradition und heute strömen bis zu eintausend Menschen zu diesem ökumenischen Ereignis.