Lübeck: Kreuzweg stand im Zeichen der „Barmherzigkeit“, 25.03.2016

Der Regen hielt sie nicht auf: Rund 550 Christen pilgerten am Karfreitag, 25. März 2016, Deutschlands ältesten Kreuzweg in Lübeck. Rund zwei Stunden waren sie 1650 Meter von der ersten Station an St. Jakobi bis zur fünften am Jerusalemsberg unterwegs.

Der Regen hielt sie nicht auf: Rund 550 Christen pilgerten am Karfreitag, 25. März 2016, Deutschlands ältesten Kreuzweg in Lübeck. Rund zwei Stunden waren sie 1650 Meter von der ersten Station an St. Jakobi bis zur fünften am Jerusalemsberg unterwegs. Der Lübecker Kaufmann Hinrich Konstin bildete den Kreuzweg im Jahr 1493 der „Via Dolorosa“ in Jerusalem nach. 1994 griff der katholische Propst Siepenkort den Weg wieder auf – seit 2002 gehen ihn Christen als gemeinsam ökumenischen Kreuzweg.

In diesem Jahr stand das Thema „Barmherzigkeit“ im Mittelpunkt des Geschehens. Bischöfin Kirsten Fehrs sprach über Pilatus, der sein Volk nicht versteht, da es so unbarmherzig ist und Jesus verspottet und beschimpft. „Vor wenigen Tagen noch haben sie ihn bejubelt. Mit Palmenzweigen und Halleluja. Er sei die Barmherzigkeit in Person, haben sie gesagt. Und nun dieses wutentbrannte, unbarmherzige: Kreuzige ihn!“. Fehrs schlägt einen Bogen: „Heute das „Hosianna“, morgen das „Kreuzige ihn“. Kennen wir ja auch, oder? Heute in den Medien ein Held, morgen ein Verlierer“. Die Leidensgeschichte Jesu halte der Gesellschaft ungeahnt aktuell den Spiegel vor. „So wankelmütig ist das Volk. Doch: Die Mehrheit kann irren.

Es ist wichtig, auf das Volk zu hören, aber es gibt eine Grenze. Wenn Menschen verfolgt oder gequält werden sollen, dann geht Menschenrecht vor Mehrheitswillen. Die Menschenwürde ist unantastbar“. Und weiter: „Die Bilder aus Brüssel gehen mir nach. Heute am Karfreitag. Verbunden mit dem Gefühl, dass Terror und Gewalt wieder einen Schritt nähergekommen sind. Ich glaube, es geht vielen derzeit so, Kleinen und Großen“. Ein Journalist habe nach den Anschlägen getwittert: „Möge unsere Trauer jetzt größer sein als die Angst. Durchatmen. Nachdenken.“ Nicht wenige hätten darauf mit Unverständnis reagiert. „Sträfliche Dummheit sei das, schrieb einer zurück – Trauer helfe nicht weiter, jetzt müsse schnell gehandelt werden.

Mich dagegen hat das beeindruckt. Gerade heute am Karfreitag und mit unserem Weg des Kreuzes sagen wir doch genau dies: Es braucht Orte, um erst einmal der Trauer Raum zu geben. Innezuhalten, zu weinen über so viele ausgelöschte Leben und Lebensgeschichten“. Zeit der Trauer sei wichtig, um die Angst zu stillen. Und sich ein Herz zu fassen – für die Barmherzigkeit.

Petra Kallies, Pröpstin im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, sagte: „Aus Erbarmen mit unserer Erbärmlichkeit, aus Erbarmen mit unserer Menschverachtung ging Jesus ans Kreuz – und überwand so den Graben der Sünde, der uns von Gott trennt. Gekreuzigt für uns, damit wir leben. Doch es ist nicht im Sinne Gottes, dass Opfer schweigend das Unrecht ertragen, das ihnen angetan wird“.

An weiteren Stationen sprachen der ehemalige Ministerpräsident Björn Engholm: „Barmherzigkeit ist die größte menschliche Tugend, die wir kennen“, Jakobi-Pastor Lutz Jedeck: „Wir sollten uns ein Beispiel an Simon von Cyrene nehmen, der das Kreuz für Jesus trug – er schaute nicht weg, hielt sich nicht die Ohren zu“, der katholische Propst Franz Mecklenfeld, der sich auf die vier Lübecker Märtyrer bezog, Schleswig-Holsteins Flüchtlingsbeauftragter Stefan Schmidt über den Umgang mit Flüchtlingen. Dechant Joachim Kirchoff forderte, die Maßstäbe von Gut und Böse in unserer Gesellschaft zu erhalten. „Menschen, die heute Unrecht ertragen müssen, gilt unsere Solidarität“.  

Der katholische Erzbischof Dr. Stefan Heße sprach am Jesulamsberg, vor der in Stein gemeißelten Kreuzigungsszene: „Jesus gab seinen Geist in Gottes Hände. Seine letzten Worte waren: „Herr, auf dich vertraue ich, in deine Hände lege ich mein Leben“. Jesus glaubte an einen barmherzigen Gott. Und wie barmherzig gehen wir mit uns selbst um? Je mehr Barmherzigkeit wir für uns und andere empfinden und leben, umso besser kann unsere Welt werden. Jetzt, jeden Tag, und auch die letzte Stunde“. Die Kreuzweg-Pilgerer seien nicht nur die Via Dolorosa gegangen – sondern auch die Straße der Barmherzigkeit. „Möge diese Straße weitergehen in unserem Leben“.

 

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