Sieben Einzelzimmer für sieben Gäste, modern und barrierefrei eingerichtet – im Rickers-Kock-Haus, eine Einrichtung der Vorwerker Diakonie, soll es Menschen, die schwer erkrankt und sterbend sind, an nichts fehlen.
Sieben Einzelzimmer für sieben Gäste, modern und barrierefrei eingerichtet mit Fernseher, DVD-Player, Telefon und Internetanschluss – im Rickers-Kock-Haus, eine Einrichtung der Vorwerker Diakonie, in der Moislinger Allee 75a soll es den Menschen, die schwer erkrankt und sterbend sind, an nichts fehlen. Denn sie verbringen hier ihre letzten Lebenstage. Durchschnittlich bleibt ein Gast 24 Tage im Hospiz – manche länger, manche kürzer. Für die beste palliativ medizinische, psychosoziale, pflegerische und seelsorgerliche, kurz ganzheitliche Versorgung, arbeiten 15 Krankenpflegerinnen, eine Sozialarbeiterin, Verwaltungs- und Servicepersonal und 27 Ehrenamtliche, davon elf ausgebildete Sterbebegleiter, eng verzahnt miteinander. So wird gewährleistet, dass Menschen an der Grenze ihres Lebens nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Einrichtungsleiterin Dagmar Andersen hat die Fäden in der Hand und dabei mindestens zwei Hüte auf: Einerseits die Koordination der Abläufe im Haus und andererseits die psychosoziale Begleitung der Gäste. „Und ich koordiniere die Einsätze der Ehrenamtlichen“, informiert die Diplom-Sozialpädagogin und Sozialmanagerin. „Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind das Pfund unseres Hauses“, so Andersen weiter. „Hospizbegleiter gehen mit den Gästen spazieren, notieren Essenswünsche, lesen ihnen vor oder sitzen einfach auch mal still an ihrer Seite“. Eine Grundvoraussetzung, haupt- oder ehrenamtlich in einem Hospiz zu arbeiten, sei die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit. Für die Pflegekräfte gehört es selbstverständlich dazu, sich in Palliative Care weiterzubilden, und auch die Ehrenamtlichen werden geschult und erhalten regelmäßig Fortbildungen und Supervisionen.
Ganzheitliche Versorgung in der letzten Lebensphase schwerstkranker Menschen
Seit 1999 arbeitet das Rickers-Kock-Haus nach den Maßgaben der hospizlichen Pflege und Begleitung, die dann 2002 in der „Palliative Care“ Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit als Standard festgelegt wurde. „Das Wichtigste ist die ganzheitliche Versorgung“, sagt Gemma Halbe, Pastorin des Kirchenkreises und Seelsorgerin im Hospiz. Das bedeutet, dass die Kranken Anspruch haben auf medizinische und pflegerische Versorgung und auf psychosoziale und spirituelle Begleitung. Dagmar Andersen ergänzt: „Auch die Angehörigen können rund um die Uhr im Haus sein, auch hier übernachten, wenn sie das wünschen. Und auch sie können seelsorgerliche Begleitung beanspruchen. Und der wichtigste Aspekt: Im Hospiz wird das Sterben weder hinausgezögert noch beschleunigt; die Lebensqualität soll erhalten und Schmerzen sowie Krankheitssymptome gelindert werden. Das Haus steht allen schwerstkranken Menschen aller Konfessionen mit ärztlicher Verordnung offen. Die Kosten werden zum Großteil von Krankenkassen und zu einem kleineren Teil (fünf Prozent) durch Spenden finanziert.
Halbe und Andersen stoßen außerhalb des Hospizes immer wieder auf Unkenntnis über die Möglichkeiten dieses Haues: „Oft lernen Menschen Hilfsangebote erst sehr spät in ihrem Leben kennen“, so Andersen. Das könne daran liegen, ergänzt Halbe, „dass sie mitten im Leben stehen und keine Störungen haben wollen; kein Leiden, keine Arbeits- oder Eheprobleme, keine Sorgen. Aber ein leidloses Leben gibt es nicht, ein Unglück kann jeden treffen. Wenn wir gesund und fit sind, können wir dankbar sein für unser Glück und unsere Gesundheit, und wir können hoffen, dass es so bleibt“. Einmal in der Woche besucht Gemma Halbe die Gäste im Hospiz, bietet Gespräche an und hält kurze Andachten im Stille-Raum.
Dass die Gäste im Hospiz auf ihre Art auch voll Hoffnung und Zuversicht sein können, erzählt Halbe weiter. „Sie sind erleichtert, wenn sie klingeln und nicht lange warten müssen oder wenn ärztliche Maßnahmen rasch umgesetzt werden und Beschwerden ernst genommen und gelindert werden. Es tut ihnen gut, wenn sie Wertschätzung erhalten und wenn sie mit ihren Eigenarten und ihren kleinen und großen Wünschen akzeptiert und gemocht werden“.
Das Rickers-Kock-Haus wurde Ende 1999 in Trägerschaft der Vorwerker Diakonie eröffnet. Mehr Informationen gibt es unter www.vorwerker-diakonie.de/hospiz.
Hintergrund: Im Mittelalter gewährten Hospize (lateinisch für Herberge) Pilgern und Reisenden Unterkunft, Verpflegung und Hilfe. Heute geben Hospize sterbenskranken Menschen ein letztes Zuhause. Auch ihre Familien, Freundinnen und Freunde werden mit einbezogen und in ihrer Trauer nicht alleine gelassen. Insgesamt gibt es 66 Hospizplätze in Schleswig-Holstein. „Noch zu wenig“, so Dagmar Andersen.
Vorschau: Vom 6. bis 13. Oktober 2016 findet in Lübeck die Hospiz- und Palliativwoche statt. Veranstalter ist der Verein Horizonte e. V. in Zusammenarbeit mit dem Palliativnetz Travebogen und in Kooperation mit dem Hospiz Rickers-Kock-Haus und der Lübecker Hospizbewegung e. V. Das komplette Programm gibt es hier: www.palliativwoche.de
Oberes Foto: Gemma Halbe im Gespräch mit einem Gast im Hospiz.
Mitte: Einrichtungsleitung Dagmar Andersen und Hospizseelsorgerin Gemma Halbe im hellen „Raum der Stille“.
Veranstaltungen im Rahmen der Hospiz- und Palliativwoche, 6. bis 13. Oktober 2016:
Am Freitag, 7. Oktober 2016, lädt das Rickers Kock-Haus im Rahmen der Hospiz- und Palliativwoche von 15 bis 18 Uhr zum Tag der offenen Tür. Es gibt Informationen und Beratung zur Hospizaufnahme inklusive einer Führung durch das Hospiz.
Am Sonnabend, 8. Oktober 2016, wird in St. Marien um 16 Uhr ein Gottesdienst zum Welthospiztag veranstaltet. Pastorin Annegret Wegner-Braun, Pastorin und Hospiz-Seelsorgerin Gemma Halbe sowie Ehren- und Hauptamtliche aus der Hospizarbeit gestalten den Gottesdienst.
Und am Sonntag, 9. Oktober 2016, gibt es das „Friedhofsgeflüster“ um 20 Uhr auf dem Burgtorfriedhof - berichtet wird von Totenkronen, Wiedergängern und der Angst vor dem Scheintod. Eine etwas andere Friedhofsführung mit Kunsthistorikerin Dr. Anja Kretschmer. Start ist am Haupteingang in der Eschenburgstraße.