Noch bis zum 16. November 2016 ist die Gedenkstätte Lutherkirche in Lübeck Gastgeber für die Wanderausstellung der Nordkirche „Ertragen können wir sie nicht - Martin Luther und die Juden“.
Noch bis zum 16. November 2016 ist die Gedenkstätte Lutherkirche in Lübeck Gastgeber für die Wanderausstellung der Nordkirche „Ertragen können wir sie nicht - Martin Luther und die Juden“. Sie bildet den Auftakt für das Reformationsjahr in der Hansestadt. Konzipiert hat die Ausstellung Pastorin Hanna Lehming, Beauftragte der Nordkirche für christlich-jüdischen Dialog. Lehming hat die Ausstellung am Freitag, 28. Oktober 2016, um 19 Uhr mit einem Vortrag eröffnet
Anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation im Oktober 2017 thematisiert die Wanderausstellung mit 17 großformatigen Tafeln und Erklärungen das Verhältnis Martin Luthers zu den Juden. Luther war ein großer theologischer Denker und mutiger Reformator der Kirche. Zugleich war er auch Antisemit. Er hielt den jüdischen Glauben für verblendet und die Juden für die größten Feinde des Christentums. In seiner übelsten antijüdischen Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ ruft der Reformator sogar ausdrücklich dazu auf, Synagogen und Häuser der Juden zu zerstören, ihre Gebet- und Talmudbücher zu verbrennen, die Juden zu entrechten und als letzte Möglichkeit, sie zu vertreiben.
„Gerade diese thematische Ausstellung zum Auftakt des Refomationsjahres 2017 in die Lutherkirche zu holen, ist uns als Gedenkstätte Lutherkirche, der Kirche Pastor Stellbrinks und der Erinnerung an die vier Lübecker Märtyrer ein großes Anliegen“, informiert Constanze Oldendorf, Pastorin an der Lutherkirche. „Die Aussagen des Reformators über das Judentum, die er als Kind seiner Zeit formuliert hat, sind in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts genutzt worden, um den Antisemitismus der Nationalsozialistischen Ideologie scheinbar religiös zu untermauern. In der Geschichte unserer Lutherkirche ist das deutlich zu lesen. So ist eine kritische Auseinandersetzung mit der antisemitischen Haltung Martin Luthers nicht nur eine geschichtliche Betrachtung der Vergangenheit. Sie ist vielmehr eine notwendige theologische Auseinandersetzung und damit eine sinnvolle reformatorische Haltung für unsere Gegenwart“, so Oldendorf weiter.
Die Ausstellung trägt zur Auseinandersetzung mit dieser Frage bei. Sie erzählt die Geschichte der Juden in Deutschland bis in die Reformationszeit und ordnet Luthers Verhältnis zum Judentum in die Theologiegeschichte ein. „Der Reformator war ein genialer theologischer Denker, Liederdichter und mutiger Reformator der Kirche, aber auch ein vehement antijüdischer Kirchenmann“, erklärt Initiatorin Hanna Lehming. Er wechselte zwar seine Tonlage in der Auseinandersetzung mit dem Judentum im Laufe der Jahre; aber seine Grundhaltung sei dieselbe geblieben: „Er hielt den jüdischen Glauben für verblendet und die Juden für den größten Feind des Christentums. Deshalb muss sich die Feier der Reformation auch der offenen Auseinandersetzung mit Luthers Judenfeindschaft stellen“, so Hanna Lehming weiter. Beispielsweise sei die Frage zu beantworten, ob solche Äußerungen als Entgleisungen zu betrachten sind oder ob sie tiefer in der reformatorischen Theologie verankert sind.
Zum Konzept der Tafeln gehöre es, so Lehming, die Juden als Souveräne ihrer Geschichte und nicht ausschließlich als Opfer darzustellen: Ausführlich werden Geschichte und Status des Judentums in Deutschland bis in die Reformationszeit ins Bild gesetzt. In der Ausstellung werden Fragen gestellt, Zusammenhänge aufgezeigt, Denkanstöße gegeben, jedoch auf eindeutige Antworten bewusst verzichtet. „Wir wollen den Betrachtern keine Richtigkeiten vorsetzen, sondern zum kritischen Denken anregen“, so Hanna Lehming.
„Als Gedenkstätte haben wir ganz bewusst die Zeit des Erinnerns und des Gedenkens an die Hinrichtung der vier Lübecker Märtyrer für die Präsentation der Ausstellung gewählt“, berichtet die Historiker Karen Meyer-Rebentisch. „Auch der hingerichtete Pastor Stellbrink war ein Mann, der zunächst Anhänger der nationalsozialistischen Idee war und sich später gewandelt hat. Das darf man nicht verschweigen. Dennoch kann und soll man man sein Eintreten für Wahrheit und Gerechtigkeit würdigen!“
Im Internet ist das Begleitheft zur Ausstellung als PDF zu sehen und kann herunter geladen werden:
www.christen-juden.de/fileadmin/user_upload/baukaesten/Baukasten_Christlich_J_discher_Dialog/2015-begleitheft_nd__digital2.pdf
Die Ausstellung ist in der Gedenkstätte Lutherkirche, Moislinger Allee 96, montags bis sonnabends von 14 bis 17 Uhr, sonntags von 11 bis 16 Uhr zu sehen. Gruppen werden gebeten, sich vorher anzumelden.
Foto: Karen Meyer-Rebentisch, Pastor Thorsten Rose und Pastorin Constanze Oldendorf in der Ausstellung.
Foto: Ulf-Kersten Neelsen