Michaelisempfang: Die Familie im Blick, 28.09.2012

Zahlreiche interessante Gespräche verbanden die Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beim Michealis-Empfang in St. Nicolai in Mölln. Im Mittelpunkt des späten Nachmittages am 28. September stand die Familie in unserer heutigen Gesellschaft. Und die Frage: "Wie kann Familie gelernt werden?"

Zahlreiche interessante Gespräche verbanden die Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beim Michealis-Empfang in St. Nicolai in Mölln. Auch Landrat Gerd Krämer, Kreispräsident Meinhard Füllner, Bürgermeister Rainer Voß (Ratzeburg), Bürgermeister Jan Wiegels (Mölln), Bürgermeister Andreas Thiede (Lauenburg) und Oberstudienrat Ulrich Keller (RBZ Mölln) folgten den Einladungen von Pröpstin Eiben (Lauenburg) und Pröpstin Petra Kallies (Lübeck) am 28. September. Auch Lübecker Persönlichkeiten waren anwesend: Unter anderem Polizei-Chef Heiko Hüttmann und Bürgerschaftsmitglied Astrid Stadthaus-Panissié.

Im Mittelpunkt des Empfanges stand die Familie und ihre heutige Bedeutung in der Gesellschaft. Pröpstin Frauke Eiben beschäftigte sich in ihrem Grußwort mit der „Familie im Spannungsfeld zwischen Sehnsucht und Realitäten“: „Ich lade Sie ein, gedanklich mit mir ein paar Schritte zu gehen und einen Denkanstoß von Jesus aufzunehmen, um darüber ins Gespräch zu kommen, was die Familie heute stärkt und braucht“, so die Pröpstin.

Die Familie sei ein Sehnsuchtsort, der Geborgenheit, Rückhalt, soziale Sicherheit und Zusammengehörigkeit böte – und das wünschen sich viele Menschen. Sie wollen geliebt und angenommen werden – so wie sie sind, mit ihren Stärken und auch ihren Schwächen. Besonders Jugendliche sehnen sich nach dieser Liebe: 80 Prozent der Jugendlichen der evangelischen Jugend im Kirchenkreis nennen die Familie als besonderen Ort des Vertrauens. Auch, wenn die Erfahrungen in der Herkunftsfamilie schwierig waren. Mit der Familie werden die Attribute: lebenslang, treu, solidarisch, geliebt verbunden. „Das ist eine Chance und Aufgabe zugleich, für den Einzelnen und die Gesellschaft“, so Pröpstin Eiben.
Die Zeiten sind oft schwierig geworden: Das Leben rast nur so an einem vorbei, Generationen einer Familie sind in alle Winde verstreut, Scheidungen nehmen zu.

Verwirrung herrscht bei den vielen Optionen, wie das eigene Leben gestaltet werden kann. Die Realität hat sich geändert, doch die Sehnsucht nach einem Leben in Beziehung bleibt und damit die Frage: „Wo lernt man Familie?“. Junge Eltern sind verunsichert, haben die Wahl zwischen vielen Möglichkeiten der Erziehung. „Sie wollen alles richtig machen – und doch werden Erziehungskonzepte ständig erneuert“, so Eiben. Das Resultat seien verunsicherte Eltern, verunsicherte Kinder und das nagende Gefühl, nicht zu genügen. Dabei soll Familie schön sein, erbauend und erquickend, doch: „Aus dem Familienleben wird ein Problem. Wunsch und Wirklichkeit liegen weit voneinander entfernt. Das ist in unseren Beratungsstellen immer wieder zu beobachten“.

Eiben fordert aus diesem Grund, die Familie zu stärken: „Sie ist eine gesellschaftliche Ressource.“ Kinderbetreuung, Erziehung und Bildung, Pflege im Alter, bei Krankheit und Behinderung, Vermittlung von Werten, Prävention gegen Drogen, Gewalt und Ausländerfeindlichkeit, Medienkompetenz, das Lernen von Demokratie, Stabilität der Gesellschaft, Erwerbstätigkeit und Familienarbeit seien wichtige Themen der Zukunft. Letztlich zeigt die demografische Entwicklung: „Wir brauchen mehr Kinder. Wer kümmert sich um unsere Alten?“ Die Familie sei das Netzwerk, das halten soll und muss, wenn die Ressourcen der öffentlichen Hand knapp werden, wenn der Arbeitsmarkt schwankt, wenn Stabilität gesucht wird. Doch das gehe nicht ohne eine gute Familienbildung, kompetente Beratung und verlässliche Betreuungszeiten, die Arbeit und Leben ermöglichen.

Pröpstin Frauke Eiben ging auch auf den Zusammenhang von Jesus und Familie ein: „Dass zu einer Familie allein Vater, Mutter, Kind gehören und dies womöglich noch moralisch überhöht wird, stammt nicht aus der Bibel.“ Denn: „Als Jesus einmal gefragt wurde: Wer ist deine Familie antwortete er: ,Wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt, der ist mein Bruder, meine Schwester, meine Mutter.’“ Für Eiben ist dieser Satz wichtig, da Jesus den Blick weite. „Es gibt nicht nur die Herkunftsfamilie, sondern auch eine soziale Familie, der ich verpflichtet bin, zu der ich gehören kann. Das ist das Beziehungsnetz, dass ich aktiv knüpfe, Menschen, die für gleiche Ziele einstehen, die füreinander Verantwortung übernehmen, die mit mir ihren Blick darauf richten was Gottes Wille ist: nämlich: wie wir einander gerecht werden.“ So könnten Junge, Alte, Ein-Eltern-Familien, Singles und Menschen aus unterschiedlichen Lebensformen Familienbande knüpfen, nicht weil sie verwandt sind, sondern weil sie es wollen. „So ein offener Familienbegriff tut unserer Gesellschaft gut. Weil jeder einen anderen braucht und weil jeder etwas geben kann“, merkt Pröpstin Eiben an.

Familien von heute bräuchten Familienbildung, die Orientierung gibt. Die Eltern und Kinder in ihrem Selbstbewusstsein stärkt. Es gehe nicht um „To-do-Listen“ in der Erziehung, sondern um generationsübergreifende Lösungen. „Aus diesem Grund verantworten wir im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg evangelische Kindertagesstätten, Familienzentren,
Integrierte Beratungsstellen in denen Ehe- und Erziehungsfragen, ebenso ihren Platz haben wie die allgemeine Lebensberatung und die Schuldnerberatung“. Es sei wichtig, alle Angebote miteinander zu verknüpfen, so dass der ganze Mensch im Blick sei und gestärkt werden könne.

 

Familie kann und muss man lernen. Dazu braucht es eine kompetente Familienbildung und Beratung.

Familienbildungsarbeit braucht öffentliche Unterstützung und Finanzen.

Unsere Gesellschaft braucht einen weiten Familienbegirff, der gegen Vereinsamung und Fragmentierung wirkt.

 

 

Familienstimmen zum Michaelisempfang:


Kitamutter, die von ihrer Familie gerade zu einem Hund überredet wurde:
Familie bedeutet: Dreck! Überstimmt werden. Arbeit und Liebe.

 

Dass Mama und Papa und ich zusammen sitzen auf dem Sofa.
Dass wir zusammen sind. (Fünfjährige mit geschiedenen Eltern).

 

Meine Familie ist  für mich wichtig, weil ich sie liebe über alles und ich sie nicht verlieren will, und weil wir Spaß haben, und wir helfen uns gegenseitig, weil wir sind lieb – immer! Meine Cousine und Cousins sind lustig (Mädchen, neun Jahre).

 

Dr. Kassebaum, Integrierte Beratungsstelle des Diakonischen Werkes Hzgt. Lauenburg:

Familie, das ist so vieles: Freud und Leid. „Familie sein“ heißt, einen Weg gemeinsam zu gehen. Im Flur einer unserer Beratungsstellen haben wir eine Fotogalerie mit vielen ganz unterschiedlichen Wegen zusammengestellt – steinigen und ebenen, gewundenen und geraden, kaum erkennbar schmalen und ganz breiten, über Berge und durch Täler. Wir fragen die Familien, die Menschen die zu uns kommen: Auf welchem Weg sind Sie zu uns gekommen? Auf welchen Wegen sind Sie bisher gegangen? Familien, Menschen die zu uns kommen, fragen uns: Was sollen wir tun? Welchen Weg sollen wir weitergehen? Wo ist unser Weg? Wo ist unser Weg? Wir sind für diese Familien, diese Menschen da, die nach Orientierung suchen, weil sie vielleicht das Gefühl haben, dass es so viele, zu viele mögliche Wege gibt und die Entscheidung schwer fällt – oder weil sie vielleicht das Gefühl haben, in einer Sackgasse gelandet zu sein – ausweglos… Wir helfen in der Beratung den Familien, den Menschen, ihren eigenen Weg zu finden – und wir gehen ein Stück mit Ihnen.

 

Warum brauche ich eine Familie? Um wichtige Sachen zusammen zu machen. Zusammen wohnen, essen, spielen und man will nicht allein wohnen und wie soll man sofort arbeiten, man braucht eine Mutter und einen Vater (Junge, zwölf Jahre).

 

Alleinerziehende Mutter:
Familie sind viele Menschen für mich. Eltern, Freundinnen, Nachbarn und vor allem die Babysitterinnen, ja und auch der Exmann. Alle die, die dazugehören, damit wir einerseits den Alltag organisiert bekommen und andererseits die Zeit ohne Arbeit und Schule in einem größeren Kreis von Menschen verbringen und genießen.

 

Pastorin Baumgarten, Fachstelle Familie:
Junge Männer und Frauen sollen bis zum Alter hin mit Freude und gerne als Familien leben können und Zusammenhalt und Vertrauen erleben. Damit das auch in unserer verdichteten Zeit möglich ist, brauchen Familien in ihrer Unterschiedlichkeit verbesserte politische Rahmenbedingungen zB bei Arbeit, Gehalt und Steuer, und neue soziale Netzwerke. Kirche hat eine lange Erfahrung im Netzwerken, die wir gerne einbringen.

 

Mutter: Geborgenheit, Wärme, Vertrauen, Spaß: oft genug –gerade auch in der Schulzeit der Kinder- Stress. Familie ist auch Verantwortung.

 

Hermann Wolter, Schulleiter (Ehemann, Vater, Opa):

Familie ist für mich das wirksamste Lebenselixier, gebraut aus Treue, Respekt, Verständnis, Rückhalt, Geborgenheit sowie  aus gehörigen Portionen Lachen, Spaß und Spielen aber auch abgeschmeckt mit vertrauten Gesprächen, zu treffenden Entscheidungen und der Verarbeitung von Problemen.

 

Fünfjährige mit Eltern: Was meinst du? Also wenn ich in Urlaub fahre mit Mama und Papa, das ist am Besten. Wir fliegen dann nach Gran Canaria und da gibt es jeden Abend Minidisco.

 

Heiko Steiner, Geschäftsführer Diakonisches Werk, Hzgt. Lauenburg:

Die klassische vollständige Kernfamiie ist nicht mehr die dominierende Lebensform. Ob Adoptivfamilie, Ein-Eltern-Familie, Fortsetzungsfamilie, Kleinfamiie, Mehrgenerationenfamiie, Patchworkfamie, Pflegefamilie:  Keiner lebt für sich allein, und in Zeiten von Globalisierung, Individualisierung und Vereinzelung ist „Familie“ in allen ihren Formen, Stärken und auch Belastungen Bezugspunkt, Sehnsucht und Orientierung -  ihre Begleitung, Förderung und Stärkung  ist  Auftrag und Ziel unseres kirchlich-diakonischen Arbeit.

 

Kitavater und zwei Kitamütter antworten:
Zusammenhalt, Freude und Lachen, auch mal Streit, Trösten, gemeinsam Probleme bewältigen, Geborgenheit, miteinander reden, Erlebnisse teilen, Erziehung (fragt sich, wer dann wen erzieht?!)

 

Bürgermeister Jan Wiegels, Mölln (vier Kinder, seit Kurzem Großvater):
Rückhalt, Geborgenheit, Intimität, Freud + Leid gemeinsam erleben, die unterschiedlichen Phasen des Lebens und deren Herausforderungen zusammen bewältigen