Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Musikalisches "Vorkosten" für den Advent

Unbekannte Musik im Advent im Kirchenkreis - Tim Karweick hört vor und berichtet von seinen Eindrücken. Copyright:

Lübeck/Ratzeburg. Die Kirchen in Lübeck und Lauenburg versprechen in diesem Jahr wieder viel Musik im Advent und an den Weihnachtsfeiertagen. Aber was sind das eigentlich für Stücke, die da aufgeführt werden – abseits der Weihnachtsoratorien von Bach und Saint-Saens? Tim Karweick aus der Medienabteilung des Kirchenkreises hat sie für Sie „vorgehört“ und berichtet von seinen persönlichen Eindrücken.

Beim Durchstöbern der adventlichen Konzert- und Gottesdienst-Ankündigungen in Lübeck und Lauenburg hat mich einfach die Neugier gepackt. Ein Konzert für Flöte und Harfe? Weihnachtslieder im Jazz-Gewand? Nun findet sich von jedem Werk, die in unserem Terminkalender namentlich angekündigt wird, eine Aufnahme auf den einschlägigen Internet-Plattformen oder anderen Seiten. Computer-Lautsprecher ersetzen natürlich kein Konzert – aber für ein „Vorkosten“ reicht es. Und vielleicht ist es jemandem eine Entscheidungshilfe für die Wahl des richtigen Konzerts? Also auf ins Hörvergnügen.

Schwarzbrot und Zuckerguss

Max Reger: Choralkantate „Vom Himmel hoch“ / John Rutter: The best time of the year u.a.
Samstag, 3. Dezember, 17:00 Uhr, St. Marien Sandesneben

"Vom Himmel hoch" nimmt Reger hier sehr wörtlich: Hohe Töne von Geigen und Solo-Sopran mit zartester Begleitung der Orgel, dann ein dreistimmiger Kinderchor. Diese Kombination dominiert die Kantate. Ätherisch, aber niemals kitschig dank Regers reicher Harmonik. Nur zweimal wird es laut, wenn der gemischte Chor im Unisono seine Strophen singt.
Weihnachten darf genascht werden, und den musikalischen Zuckerguss dafür gibt es von John Rutter. Seine Sammlung “The best time of the year” für Chor und Orchester badet im Weihnachts-Wohlgefühl. Schon im Titelstück fühlt man sich wie im rührendsten  Hollywood-Weihnachtsfilm. Es geht aber auch freudig gespannt und rhythmisch vertrackt wie im „Star Carol“. Mein Favorit ist aber „Christmas Lullaby“, das mit schlichter Melodie und Harmonie anrührt.
 

Ein seltenes Dreiergespräch

W. A. Mozart: Konzert für Flöte und Harfe u.a.
Samstag, 10. Dezember, 18:00 Uhr, St. Martin Lübeck

Neben Camille Saint-Saëns‘ „Oratorio de Noël“ erklingt in St. Martin Mozarts Konzert für Flöte, Harfe und Orchester. Eine ungewöhnliche (vielleicht sogar einmalige?) Kombination von Solo-Instrumenten. Dabei passen die beiden zarten Instrumente so gut zueinander. Und wie erwartet schafft Mozart es, beiden Raum gegenüber dem Orchester zu geben. Ein munteres und Abwechslungsreiches Gespräch zwischen Orchester und den beiden Solisten ergibt sich. Im heiteren C-Dur perlt der erste Satz dahin. Moment, warum wurde der zweite Satz achtmal so oft angeklickt wie der erste? Die Antwort folgt beim Hören: Er ist eben einfach wunderschön! Mit überraschenden Synkopen-Akzenten kommt der dritte Satz daher – so überschäumend, wie man gerade noch gegenüber den zarten Solo-Instrumenten sein darf.
 

Ein bisschen Advent

Monatslied der Nordkrche
Sonntag, 11. Dezember, 17:00 Uhr, Andreaskirche Kuddewörde

Regelmäßig spielt die Kuddewörder KirchenBand unter Leitung von Kantor Markus Schell das jeweils neue Monatslied der Nordkirche – ein für jeden Monat neu komponiertes Lied für die Gemeinden. Unter www.monatslied.de gibt es sie alle zum Download, meist mit aufwändigen Videos und einer Vielzahl an Noten. Nur leider das für den Dezember noch nicht. Ich muss also zugegebenermaßen schummeln und das Lied für den November anhören: „Wenn das Jahr sich neigt“.
Nun muss ich erstmal das Klassik-Gewissen im Kopf abschalten, denn diese Lieder darf man nicht mit dem Mozart-Stück von eben vergleichen – sie sollen schnell ins Ohr gehen und vor allem in den Gemeinden nachspielbar sein. Die Musik spricht deutlich die Sprache der November-Feiertage: Karg und trist beharrt die Melodie auf nur vier verschiedenen Tönen, die Begleitung wechselt zwischen den immer gleichen zwei Akkorden. Passend für Zeilen wie „Wenn das Jahr zerrinnt, / mich mit Einsamkeit umspinnt. / Alles kalt wird und erstarrt.“ In der dritten Strophe zeigt sich, dass das Lied nun doch nicht so unpassend war für eine Advents-Vorschau: „Wenn das Jahr sich neigt / und Dein Stern sich langsam zeigt“.
 

Überraschungen und alte Bekannte

Telemann: Lobt Gott, ihr Christen allzugleich / J. S. Bach: Orchestersuite D- Dur
Sonntag, 11. Dezember, 10:00 Uhr, Wichern-Kirche Lübeck

Ein reichhaltiger musikalischer Gottesdienst kündigt sich an. Zum einen mit der Telemann-Kantate „Lobt Gott, ihr Christen allzugleich“.  Das triumphale Kirchenlied gleichen Namens wird darin verarbeitet, also dürfen Pauken und Trompeten natürlich nicht fehlen. Wer die Eingangschöre von J. S. Bach gewohnt ist, staunt aber über den kurzen und eher schlichten Eingangschoral. Überhaupt muss man sich auf ein paar Überraschungen gefasst machen: Mitten hinein in die erste Strophe des titelgebenden Kirchenlieds singt der Chor plötzlich die ersten Zeilen des Lieds „Herr Gott, Dich loben wir“. Jetzt kommt sicher die zweite Strophe? Nein, eine jubelnde Bass-Arie und ein Rezitativ sind mit freien Texten versehen. „Amen“ jubeln sich einander danach zwei Chöre in Koloraturen gegenseitig zu. Ist etwa schon Schluss? Nein, wir werden wieder an der Nase herum geführt, es kommt noch eine Tenor-Arie. Und da, wo meist der erste Teil einer Arie wiederholt wird, geht es in den Schlusschor mit der letzten Liedstrophe „Heut‘ schleußt er wieder auf die Tür“, noch kürzer gehalten als der Eingangschor.
Das muss Telemann zu seiner Zeit sein Ansehen als größter deutscher Komponist eingebracht haben: Überraschende Einfälle, Lautmalerei und bloß nicht zu viele komplizierte Chorfugen.

Zum Anderen steht bei diesem Gottesdienst J. S. Bachs OrchestersuiteNr. 3 in D-Dur auf dem Programm. Sie beginnt mit einer Ouvertüre im damals prägenden französischen Stil mit dem punktierten Rhythmus: Lang-kurz, lang-kurz. Und dann kommt doch noch etwas, dass nicht nur ich sondern wohl alle gleich erkennen: Ein langgezogener Ton in den Geigen, gleichmäßig tropfende Bassnoten -  die berühmte „Air“! Nach diesem Ruhepol schließen drei fröhlich beschwingte Tanzsätze die Suite ab.
 

Maria hat den Funk

Weihnachtslieder im Jazz-Gewand
Mittwoch, 21. Dezember, 19:30 Uhr, Herz-Jesu-Kirche Lübeck

Dass alte Stücke im Jazz-Gewand nicht gezwungen oder effethascherisch daherkommen müssen, zeigt das Duo Stefan Kuchel (Saxophon) und Jan-Christoph Mohr (Piano). Auf www.germanfolksongs.com/musik darf ich mir jetzt schon von ihrer Musik ein Bild machen. Das neue Album „German Folk Songs: Wiehnacht“ beginnt eher schlicht: „Leise rieselt der Schnee“ könnte man in dieser Version fast auch in der Kirche als Begleitung zum Gemeindegesang hören. Schnell wird es aber „gewagter“ und ungewohnte Harmonien begleiten die traditionellen Lieder. Zum Beispiel beim „Macht hoch die Tür“.
Die neuen Töne sind aber nicht bloß Effekt oder eine nette Abwechslung, sie regen auch zum Nachdenken über die alten Lieder und Themen an: Warum ging Maria eigentlich vorher nie im fröhlichen Funk-Tanzschritt durch ein Dornwald? Sie muss nicht immer zarten Fußes schweben, wie es die ätherische Melodie vorgibt. Bei „Was soll das bedeuten?“ fragt man sich genau das tatsächlich, wenn die Musik immer staunend innehält und eine unerwartete, spamnnungsgeladene Harmonie auf die nächste folgt.