Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Mutwort zum 8. Mai 2021 von Pröpstin Petra Kallies

Über die Feindesliebe spricht Pröpstin Petra Kallies anlässlich des Gedenktages zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Copyright: Guido Kollmeier

„Liebt Eure Feinde!“ fordert Jesus. Oder ist das eher als guter Rat zu verstehen? Am 8. Mai endete der 2. Weltkrieg. Pröpstin Kallies geht im Mutwort dem Gebot der Feindesliebe nach.

In diesem Jahr wird in Schleswig-Holstein der 8. Mai zum ersten Mal als landesweiter Gedenktag an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa und die Befreiung vom Nationalsozialismus begangen.

Der Krieg endete – jedenfalls in Europa. In Asien z.B. dauerten die Kämpfe noch länger an. Die Atembomben auf Hiroshima und Nagasaki in Japan wurden im August 1945 gezündet. 2020, am 70. Jahrestag, richtete sich die mediale Aufmerksamkeit vor allem auf die Corona-Pandemie, so dass das Kriegsende und die Befreiung vom Terror des Nationalsozialismus in den Hintergrund geriet. Grund genug, dass wir uns jetzt an diesen wichtigen Gedenktag erinnern!

Seit mehr als sieben Jahrzehnten haben wir Frieden in West- und Mitteleuropa. Was für die meisten von uns eine Selbstverständlichkeit ist, war für die Generationen davor, für meine Eltern, Groß- und Urgroßeltern, ganz anders.

1870-71; 1914-1918; 1939-1945. In sieben Jahrzehnten gab es dreimal Krieg – einer schlimmer als der andere.

Man kann Kinder zum Hassen erziehen, so dass es für sie klar ist, wer ihr „Feind“ ist. Deutsche und Franzosen haben fast 1000 Jahre lang die sog. Erb- FEINDschaft von Generation zu Generation weitergeben. Kann man so eine Un-Kultur beenden?

Für mich ist es ein riesiges Wunder, dass nach diesen letzten, katastrophalen Kriegen Menschen gesagt haben: „Jetzt ist Schluss! Nie wieder Krieg!“ Schüleraustausch- und Kulturprogramme haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Franzosen und Deutsche, die junge Generation, einander anders kennenlernten. Gemeinsame Wirtschaftsprogramme und die EU, also gemeinsame wirtschaftliche Interessen taten ein Übriges.

Über 71 Jahre Frieden in Mitteleuropa – Gott sei Dank! - welch ein Geschenk! Und welch eine Aufgabe, das auch für kommende Generationen fortzuführen!

Nächstenliebe steht bei jeder Religion auf der Agenda. Sich um Menschen in Not zu kümmern, ohne Wenn und Aber. Jesus Christus hat da noch eins draufgesetzt. „Liebt eure Feinde!“ hat er gesagt.

Typisch Jesus? Das schafft doch sowieso niemand!?

„Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen!“ Damit sagt er uns: „Sieh in deinem Gegner, deiner Gegnerin immer auch den Menschen, und darum sei maßvoll in deinen Reaktionen!“

„Liebt eure Feinde!“ Das schafft doch sowieso niemand? Stimmt nicht – es ist in Mitteleuropa gelungen; schrittweise und immer auch wieder brüchig. Keine Selbstverständlichkeit. Aber es ist möglich: Frieden schaffen ist möglich. Frieden halten ist möglich.

Es ist keine bloße Utopie. Es ist aller Mühen wert. Man und frau muss es nur wollen. Dazu helfe uns Gott!

Amen.