Notkonfirmation in Mölln: Weil sie zu ihrem Glauben standen, 23.03.2012

Heimlich und unbemerkt statt ausgelassen und fröhlich mussten sie handeln: Die Vorbereitung auf die Konfirmation am 20. April 1937 in Lübeck und Mölln war ein gefährliches Unterfangen. Rund 1000 Menschen setzten sich am Abend der Konfirmation in Lübeck in einen Sonderzug. Das Ziel war Mölln, der Grund: Eine Konfirmation ohne Nazi-Pastoren in Uniform und einen heldischen Jesus. 163 Mädchen und Jungen fanden in der St.-Nikolai-Kirche Zuflucht.

Heimlich und unbemerkt statt ausgelassen und fröhlich mussten sie handeln: Die Vorbereitung auf die Konfirmation am 20. April 1937 in Lübeck und Mölln war ein gefährliches Unterfangen. Rund 1000 Menschen setzten sich am Abend der Konfirmation am Lübecker Hauptbahnhof in einen Sonderzug. Das Ziel war Mölln, der Grund: Eine Konfirmation ohne Nazi-Pastoren in Uniform und einen heldischen Jesus. 163 Mädchen und Jungen fanden in der Möllner St.-Nikolai-Kirche Zuflucht, deren Eltern sich nicht auf die neuen „linientreuen“ Pastoren in Lübeck einlassen wollten.

Lübeck als „linientreue Vorzeigekirche“

Der nationalsozialistisch gesinnte Bischof Erwin Balzer hatte in Lübeck bereits acht evangelische Geistliche der Bekennenden Kirche unter Hausarrest gestellt. Der Organist aus St. Gertrud gar kam in das KZ Sachsenhausen. Die Lübecker Kirche sollte zum Vorzeigestandort der Deutschen Christen werden.
Doch die Lübecker ließen das nicht auf sich sitzen. Sie versammelten sich nach dem Gottesdienst vor den Häusern der eingesperrten Pastoren, sangen Lieder und sprachen ihnen Mut zu. Ihre Kinder schickten sie nicht in den neuen Konfirmandenunterricht mit den eilig zusammengesuchten linientreuen Pastoren, die mit Kaffee und Kuchen lockten.

An der Bekennenden Kirche festhalten

Weder Eltern noch Konfirmanden ließen sich von den öffentlichen Verlautbarungen des Bischofs von der Kanzel oder in der Presse einschüchtern. Ein so mangelhaft eingesegnetes Mädchen könne niemals im Hitler-Deutschland und der dazugehörenden Kirche heiraten, hieß es. Die Hitler-Jugend bekam Anweisung, den Jugendlichen der Bekennenden Kirche mit Ausschluss zu drohen. Lehrer sollten über die Schule Einfluss auf Eltern und Kindern zu nehmen. Diese aber halten an der Konfirmation in der Bekennenden Kirche fest.
Es ist am Ende der Flensburger Pastor Dr. Ernst Mohr von der Bekennenden Kirche, der sich auf die Suche nach einer Kirche macht, in der die Konfirmanden eingesegnet werden können.

Der Blick nach Mölln

Mölln und die St.-Nikolai-Kirche geraten nicht zuletzt aufgrund der langen geschichtlichen Verbindung mit Lübeck in die enge Auswahl. Dort findet Mohr einen Kirchenvorstand, der nicht lange zögert.
163 Konfirmanden und deren Familien und Paten müssen am Vorabend von Palmarum nach Mölln. 1000 Menschen sind es insgesamt, die gegen 19 Uhr in einen Sonderzug steigen. Der Vorstand der Lübeck-Büchener Eisenbahn ist mit mehreren Familien der Konfirmanden verbunden und stellt den Zug. Hin- und Rückfahrt sind geregelt, 30 Kilometer lang ist die Strecke.

Die Möllner Notkonfirmation

In einem langen Zug gingen die Konfirmanden und ihre Familien schweigend vom Bahnhof durch die Straßen Möllns zum Kirchplatz. Die beleuchtete Kirche muss ein eindrucksvolles Bild gewesen sein. Die Orgel begann zu spielen, die Konfirmanden zogen in eine bis auf den letzten Platz gefüllte Nikolai-Kirche ein. Viele Menschen musste stehen. Sie war festlich beleuchtet, mit Blumen geschmückt und hieß die Lübecker unter dem Kreuz willkommen. Wie groß muss die Erleichterung für alle Beteiligten gewesen sein, wie intensiv der Segen, wie innig das Miteinander der Lübecker Familien.
„Nun danket alle Gott“ war das letzte Lied in diesem besonderen Konfirmationsgottesdienst vor 75 Jahren.

Auch heute dabei sein

Für die Konfirmanden in Mölln ist in diesem Jahr natürlich alles anders als damals. Und doch wird zu ihrer Konfirmation am Sonntag, 1. April 2012, an die Möllner Notkonfirmation erinnert. Pastor Hermann Handler hat im Vorfeld mit den Konfirmanden eine Zeitreise gemacht. Wie lebte man als Jugendlicher, der 1922 auf die Welt gekommen und 1937 mit 15 Jahren konfirmiert worden ist? Das Handy und das Internet hätten die Jugendlichen vermisst, sagte Handler. „Wer das heute nicht hat, ist ausgeschlossen.“ So banal die technischen Errungenschaften vor dem Hintergrund der Möllner Notkonfirmation auch klingen. Ausgeschlossen sein, nicht teilhaben zu können an der Jugendkultur – das ging auch den Lübecker Konfirmanden vor 75 Jahren so. Weil sie zu ihrem Glauben standen.