29 Jahre lang war er auf seinem Fahrrad in der Gemeinde unterwegs. Pastor Martin Schultner geht nach 29 Jahren in den Ruhestand . Die Verabschiedung ist am 28. Juni 2015
Sie sind nicht zu überhören: Etwa 80000 Autos rasen jeden Tag durch die Paul-Gerhardt-Gemeinde. Diese Zahl hat Pastor Martin Schultner einmal gelesen. Die Autobahn 1 führt durch die gesamte Gemeinde, die in etwa sieben Kilometer lang, an einigen Stellen aber nur wenige hundert Meter breit ist.
Martin Schultner aber hat kein Auto. Der Pastor ist seit 29 Jahren mit dem Fahrrad unterwegs. Einen großen Teil seiner Gemeindearbeit hat er auf der Straße getan, zwischendurch, beim Anhalten. Damit ist nun Schluss. Martin Schultner geht in den Ruhestand und wird am Sonntag, 28. Juni 2015 um 10 Uhr im Gottesdienst in der Paul-Gerhardt-Kirche, Am Stadtrand 21, verabschiedet. Im Anschluss findet das Gemeindefest statt.
Geboren in Rohlsdorf bei Ratekau, aufgewachsen in Lübeck hat es Martin Schultner zum Theologie-Studium nach Kiel gezogen. Sein Vikariat hat er an der Lübecker Lutherkirche gemacht. Vor fast drei Jahrzehnten hat Martin Schultner als Pastor in der Paul-Gerhardt-Gemeinde im Lübecker Stadtteil St. Lorenz-Nord angefangen. In dieser Zeit hat sich der Stadtteil verändert. Die alte Meierei ist heute ein Wohngebiet. Wo früher Milch verarbeitet wurde, leben heute rund 200 Lübecker. Auch in der Siedlung Dornbreite hat es einen Wechsel gegeben. Die großen Grundstücke sind weitestgehend doppelt bebaut, viele Familien sind zugezogen. Ein Generationenwechsel hat stattgefunden.
Auch die Gemeinde selbst ist im Wandel, weiß der Pastor. Einige Gruppen haben sich überlebt, andere haben sich weiterentwickelt. Aus der Kleidertauschkammer im Fachwerkhaus neben dem Herrenhaus ist der Kinderkleidermarkt geworden – der erste dieser Art in Lübeck. Das Fachwerkhaus wurde vor einige Jahren aufwändig saniert und beherbergt nun die Krippengruppe des Kindergartens und hat Platz für eine gute Jugendarbeit. „Ich fühle mich manchmal wie ein Begleiter im Leben“, sagt Schultner. Mit einigen Gemeindemitgliedern ist er in der Tat mitgegangen: die Taufe, Kindergartenzeit, Konfirmandenunterricht, Hochzeit – Schultner hat viele Kinder Großwerden sehen.
Aus einigen Begegnungen sind Freundschaften und Bekanntschaften über das Berufliche hinaus entstanden. Doch Martin Schultner hat immer darauf geachtet, den Wechsel zwischen Nähe und Distanz zu wahren. „Ich stelle häufig Fragen, die sonst niemand fragt. Da geht es dann schon mal ins Eingemachte“, sagt Schultner. „Doch die Menschen merken sehr schnell, dass ich mich dann auch wieder zurück nehme und ein wenig vergesslich bin.“ Diese Grundeinstellung hat Martin Schultner auch in seiner Arbeit mit psychisch kranken Menschen geholfen. Sie bildete in den letzten Jahren einen Schwerpunkt in Schultners Tun.
Insgesamt drei Fahrräder hat Martin Schultner während seiner Amtszeit in Paul-Gerhardt gehabt. „Es ist schön, auch jenseits der großen Straßen unterwegs sein zu können.“ Die Gemeinde am Lübecker Stadtrand hat neben den großen Einfallstraßen und der Autobahn nämlich auch viel Grün. Direkt hinter dem Herrenhaus an der Krempelsdorfer Allee öffnet sich der Herrengarten. „Aber auch entlang des Landgrabens oder auf dem Vorwerker Friedhof ist es sehr schön,“ so Schultner. „Das Fahrradfahren hat mein pastorales Dasein geprägt“, sagt Schultner. „Viele Gespräche habe ich auf der Straße geführt. Mal waren es zwei Minuten, mal eine Stunde. Das Anhalten ist also Gemeindearbeit.“
Ein Jahr lang will er nun zunächst „Nein“ zu allem sagen, was ein kirchliches Engagement betrifft. Doch langfristig kann sich Martin Schultner schon vorstellen, diakonisch ehrenamtlich tätig zu werden. Außerdem möchte er auf die Reise gehen. Afrika ist ein Traumziel. Dem hohen Norden möchte Schultner aber auch treu bleiben. „Skandinavien ist mein Steckenpferd geworden. Durch Freunde aus der Gemeinde.“