Predigt am Sonntag Okuli, 7. März 2021

 

Brief an die Epheser Kapitel 5

So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder 2 und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. 3 Von sexueller Grenzverletzung aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört, 4 auch nicht von schändlichem Tun und von närrischem oder losem Reden, was sich nicht ziemt, sondern vielmehr von Danksagung. 5 Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das ist ein Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. 6 Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. 7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen. 8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; 9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Gemeinde Jesu Christi,

tu dies, tu das. Aber das andere, das lass sein. Schon als Kind habe ich diese Imperative gehasst. Aufträge, besonders Befehle haben ein Machtgefälle. Da ist einer, der befiehlt. Und ein anderer, der diese Aufträge auszuführen hat.

Unser Abschnitt nennt 15 Anweisungen- 15 Anweisungen in neun Versen. Das ist wirklich eine Menge. Aber hat der Autor des Epheserbriefes nicht Recht? Habgier, Gewalt, Verwahrlosung zerstören Gemeinschaft und verletzen die Menschenwürde. Wer wollte das bestreiten?

Christlicher Glaube und damit die Kirche sollen Wegweisung geben. Das gilt besonders in Zeiten der Krise. Was ist richtig? Die Sehnsucht nach ethischer Orientierung ist groß. Und wir alle wissen, dass Gutes und Böses auch von uns selbst abhängt.

Dabei ist es immer leichter festzulegen, was nicht sein darf: Das geht gar nicht- damals nicht und heute auch nicht. Sofort fallen mir diverse Dinge ein. Aber was macht unser Leben aus? Was lässt unseren Glauben lebendig und sichtbar werden? Lieber Verfasser des Epheserbriefes, 85 Verse Ermahnungen in deinem Brief, das ist hart: Das macht unseren Glauben zu einer langen Liste von Vorschriften, die zu befolgen sind. Wo bleibt da die Lebendigkeit? Wo bleibt Freiheit? Wandelt in der Liebe. Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit. Natürlich, das gehört dazu. Da kann ich zustimmen. Aber was heißt das konkret?

Lassen Sie uns auf die Spuren von Licht begeben. 

Jetzt, im Frühling werden die Tage wieder länger. Es wird wieder heller. Endlich Licht. Die Sehnsucht nach Leben bricht sich in diesem Jahr noch stärker Bahn als ohnehin im Frühling. Endlich. Endlich wieder mehr nach draußen; die ersten Sonnenstrahlen wärmen. Winterlinge, Märzbecher und Schneeglöckchen bringen die ersten Farben. Ja, die Hoffnung wird genährt. Der Blick richtet sich nach vorn; ich mag daran glauben, dass auch mein Leben wieder weiter wird. Im Frühling, da öffnet sich mein Herz, ich atme auf.

Jesus sagt von sich: Ich bin das Licht der Welt. Ich bin es- und steigt hinab in die Finsternis. Jeden Tag wird es draußen ein bisschen heller; und jeden Tag gehen wir weiter hinein in die Passionszeit. Immer finsterer wird es bis zum Karfreitag mit Folter und Tod.

Am Anfang bei der Schöpfung sprach Gott: es werde Licht. Und es ward Licht. Licht macht Leben überhaupt erst möglich. Tod ist Finsternis. Von der sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land. Und Jesus schrie abermals laut und verschied. Leben ist Licht. Tod ist Finsternis. Jesus geht den Weg in die Finsternis und bringt Licht.

Ostern ist das Fest des Lebens und beginnt in der Dunkelheit der Nacht. Das Osterlicht breitet sich aus mit dem Ruf: Der Herr ist auferstanden; er ist wahrhaftig auferstanden! An Karfreitag verlöscht das Licht. An Ostern wird eine neue Osterkerze entzündet. Gottes Licht brennt unauslöschlich. Aber der Auferstandene schüttelt die Finsternis nicht einfach ab. Der Auferstandene ist der Gekreuzigte. Er ist angetan mit Licht- und trägt die Merkmale der Finsternis. Unser segnender Christus am Pfeiler des Singechores ist der auferstandene, der himmlische. Er sitzt auf dem Thron, ist Weltenherrscher und –Richter. Gleichzeitig trägt er die Zeichen der Finsternis an Händen und Füßen. Mit diesen Wundmalen breitet er die Arme aus und segnet: Kommt her, alle!

Wir möchten die Dunkelheit endlich hinter uns lassen. Können wir Karfreitag nicht einfach überspringen?

Auch der Autor des Epheserbriefes möchte einen Schlussstrich ziehen. Er will Klarheit: Früher ward ihr Finsternis. Jetzt seid ihr Licht. Das, was vorher war, ist vorbei. Der Moment des Zum- Glauben- Kommens ist im Epheserbrief der Neuanfang der Schöpfung. Einst Finsternis- jetzt Licht. Zwei Machtbereiche. Wir: Töchter und Söhne des Lichts. Die anderen, die nichtchristliche Welt- Kinder der Finsternis.

Das nenne ich klar. Die Zuordnung ist eindeutig- sowohl zeitlich wie räumlich. Klarheit hilft. Sie gibt Orientierung. Das Schema des Epheserbriefes gehört in eine Zeit, in der dieses Streben nach Eindeutigkeit seine Berechtigung hatte. Der Entschluss zur Taufe- wie der Übertritt in ein anderes Leben. Die Gemeinschaft der Christinnen und Christen zwar keine geschlossene Gesellschaft, aber doch deutlich getrennt von der übrigen heidnischen Welt.

Diese Eindeutigkeit lässt sich nicht einfach rund 2000 Jahre in unsere Zeit hinein übertragen. Auch wenn wir diese Eindeutigkeit manches Mal wünschen. Wir leben in einer viel komplexeren Welt. Die Taufe teilt unseren Lebenslauf in der Regel nicht mehr in ein vorher und nachher. Und die Aufgabe der Christinnen und Christen ist es nicht in erster Linie, sich von einer nicht christlichen Umgebung abzugrenzen. Wir sind mittendrin. Und das ist gut so. Gemeinsam leben wir mit Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religion und sexuellen Orientierung in einer Stadt und in unserem Land. Unser Leben zeichnet eine große Diversität aus. Immer wieder braucht es ein erneutes Austarieren, wie dieses Miteinander gelingen kann. Das Leben ist viel weniger eindeutig Licht und Finsternis. Es enthält Farben in allen Schattierungen. Wie viele Farben hat die Sehnsucht? fragt ein Märchenbuch für Erwachsene. 

Ich kann den Wunsch verstehen, die neue Wirklichkeit der Christen möge wirklich zu erkennen sein. Aber schon Paulus blickte da tiefer: wir sind niemals eindeutig nur Licht oder nur Finsternis. Beides ist in uns und streitet manches Mal gegeneinander. Bei aller Sehnsucht nach Eindeutigkeit ist es vielmehr Ambivalenz, die unser Leben bestimmt. Nicht die Befreiung davon, sondern das Leben in und mit Ambivalenz ist unsere Aufgabe. Nicht Abgrenzung, sondern in und mit aller Verschiedenheit unterwegs zu sein und zu bleiben, ist unsere Aufgabe.

Ihr seid das Licht der Welt! Stellt Jesus in der Bergpredigt fest. Kein ethischer Imperativ, keine Aufforderung, nach bestimmten Regeln zu leben. Sondern diese Zuschreibung, ja Feststellung: Ihr seid das Licht der Welt. Mit allem, was euch ausmacht. Mit eurer Sehnsucht nach Leben. Mit eurem Wunsch, geliebt zu werden und zu lieben. Und auch mit euren Schattenseiten, den finsteren Anteilen in euch. Mit Unsicherheit und Müdigkeit, mit Tasten, Suchen und Fragen. Ihr seid es: Licht der Welt. Das sagt der, der von sich sagt, ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht im Finstern wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.

Ja, auch in uns ist es immer wieder auch finster. Ja, auch wir erleben Finsternis. Ja, auch unsere Wege führen manches Mal durchs finstere Tal. Aber in allem sind wir verbunden mit dem, der durch die Finsternis hindurch ins Licht gegangen ist; der die Finsternis kennt: den Schmer, die Einsamkeit, die Hoffnungslosigkeit. Und der mit und in all dem Licht der Welt ist. Gott ist es. Und wir mit ihm. Licht der Welt. Als solche leben wir als Kinder des Lichtes. Amen

 

 

Fürbittgebet

Ewiger Gott, in der Pandemie schwinden die Sicherheiten. So viele Menschen bangen um ihre Existenz. Millionen sterben. Unzählige verlieren Hab und Gut und selbst ihr Dach über dem Kopf. Weltweit. O Gott, wie lange noch? Wir stehen vor dir mit leeren Händen, Gott! Erbarme dich!

Zurück auf das zu blicken, was war und hinter uns liegt, bringt keine Zukunftsaussicht auf Gerechtigkeit und Frieden. Für die Armen nicht, für die Mitschöpfung nicht. O Gott, wie lange noch? Wir stehen vor dir mit leeren Händen, Gott. Erbarme dich!

Wir heben unsere Augen auf zu dir und blickt auf den Bund, den du mit deinem Volk geschlossen hast. „Meine Augen sehen stets auf den HERRN…“ (Ps. 25,15). Aber was heißt das? Wir sind müde. Gott, wie lange noch? Wir stehen vor dir mit leeren Händen, Gott. Erbarme dich!

Ewiger Gott, wir bitten dich: Behüte alle, die in Krankheit und Not auf Hilfe warten. Bewahre uns davor, uns an falsche Sicherheiten zu binden. In deine Hände legen wir die Verstorbenen der letzten Monate und alle, die um sie trauern. 

Gott, öffne uns die Augen,  öffne uns Herz und Verstand für die Zukunft, die Du bereitest, und für das neue Leben, in das du uns rufst, wenn wir am Ende sind. Amen.