Das wäre schön, wenn Menschen sich annehmen könnten trotz aller Unterschiede, wenn es möglich wäre einander zu verstehen und zu respektieren. Ein großer Weihnachtswunsch und eine Sehnsucht, die wohl in jedem Menschen wohnt. Pröpstin Eiben teilt ihre Gedanken:
Das wäre schön, wenn Menschen sich annehmen könnten trotz aller Unterschiedlichkeit, wenn es möglich wäre einander zu verstehen und zu respektieren – ein großer Weihnachtswunsch und eine Sehnsucht, die wohl in jedem Menschen wohnt.
Wir wünschen uns Frieden auf Erden, das Ende von Not, Krieg und Terror, wir wünschen uns Frieden in unserem Land und Zufriedenheit, wir wünschen uns Frieden in unserer Stadt und wir wünschen uns Frieden in unseren Familien, mit unseren Freunden und Nachbarn.
Der Apostel Paulus schreibt von dieser Sehnsucht, einem echten Advents- und Weihnachtswunsch:
„Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander. Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“(Römer 15,5+7)
Das wäre schön, wenn dieser Wunsch in Erfüllung ginge. Im großen und ganzen und auch in unseren Häusern. Mal angenommen es ist nicht wieder wie alle Jahre am festlich gedeckten Weihnachtstisch, wenn sich die Familie trifft:
Dass die Gastgeber abgehetzt sind und die Anspannung in der Küche schon zu manchem unbedachten Wort führt. Und dann die Kinder unpünktlich sind, alle warten schon, die Gans wird kalt. Opa meckert, dass er ja Geflügel grundsätzlich nicht mehr isst, seid er einen Beitrag bei Panorama gesehen hat, wie belastet das Fleisch ist. Die Laune der Köchin sinkt. Die Schwiegertochter ist plötzlich und unerwartet Vegetariern geworden, das Enkelkind bekommt einen Wutanfall, weil es nur Nachtisch will. Der Apfelsaft kippt über die Tafel. Der eine hängt in den Seilen und gähnt, weil die Party gestern doch etwas länger gedauert hat, die andere versucht irgendwie ein Gespräch, das alle interessiert anzufangen, das Hörgerät funktioniert schlecht, alle reden durcheinander, Oma kommen die Tränen.
Oh, du fröhliche.
Alle haben sich auf diesen Tag gefreut. Und nun ist es so. Man wünscht sich Nähe und spürt schmerzlich, dass das nicht auf Anhieb geht. Dass hier Menschen aus unterschiedlichen Lebensrealitäten Platz genommen haben.
Geduld und Trost braucht es, sagt der Apostel Paulus, um sich überhaupt aufeinander einzustellen. Auf die unterschiedlichen Wünsche und Traditionen, auf Vorlieben und Befürchtungen, auf alte Verletzungen und einfach unterschiedliche Lebensrhythmen. Geduld auch mit sich selbst. Nähe ist nicht auf Knopfdruck da und Trost, um annehmen zu können, dass auch die Menschen, die man liebt in manchem anders denken und fühlen als wir ist nötig.
Paulus hat in seinem Römerbrief keine Anleitung für ein harmonisches Weihnachtsessen geschrieben. Er stimmt mit seinen Worten Judenchristen und die sogenannten Heidenchristen in Rom darauf ein, dass es Rücksicht und Geduld braucht, bevor man gemeinsam am Tisch des Herrn Platz nehmen kann. Dass nicht die einen den anderen innerlich vorwerfen, keine Ahnung von den Traditionen zu haben und die anderen wiederum finden, diese Speisevorschriften seien doch absolut kleinkariert. Paulus wirbt für eine Kultur gegenseitiger Annahme trotz aller Unterschiedlichkeit.
Das ist ja oft als Motto oder Slogan schnell verabschiedet, wenn es jedoch um die liebgewonnenen Eigenheiten geht, um das, was im Alltag Identität stiftet. wird es schwierig. Beim Essen, beim Benimm, den Traditionen und auch der Form der Frömmigkeit tun sich plötzlich Gräben auf, wenn etwas fremd und unbekannt daher kommt. Paulus ist auf dem Weg die Christen in Rom zu besuchen und baut mit seinem Brief schon einmal vor: „Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander.“
Mit dieser Bitte wirbt er gleichsam um Verständnis und Verstehen, um Respekt und Geduld und davor, dass es manchmal auch wehtut, Unterschiedlichkeiten auszuhalten. Nach diesem einfühlsamen Auftakt wird er deutlicher:
„Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“
Ein Imperativ. Befehlsform. Eine Ansage. Reißt euch zusammen, besinnt euch auf den gemeinsamen Grund unseres Glaubens, und akzeptiert, dass es unterschiedliche Wege gibt, den Glauben zu leben.
Diesen Imperativ möchte man heute laut in unsere Welt rufen. Reißt euch zusammen, besinnt euch auf die Grundwerte und haltet Frieden. Laut rufen
- in all die kriegerischen Konflikte
- in die Debatte um Flucht und Asyl
- in die Herzen der Attentäter
- in den Kopf der Hetzer am rechten Rand
- in unsere kirchlichen Gremien, in Gemeinden und auch in das Miteinander der Konfessionen und nicht zu vergessen: Ja auch in den Weihnachtszimmern 2017 soll es zu hören sein:
„Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“
Paulus ruft uns zu einer Kultur gegenseitiger Annahme in unserer jeweiligen Unterschiedlichkeit. Und es geht dabei nicht um ein Überspielen der Unterschiede, nicht um eine Harmonie, in der nur Gleiches gilt, nicht um als Toleranz verkleidetes Desinteresse und Gewährenlassen, sondern um ein Wahrnehmen und Annehmen der anderen als andere.
Gelingende Gemeinschaft ist ein Traum und eine große Hoffnung, die in vielen Menschen lebt – nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit.
Vielleicht haben sie in diesem Sommer das Theaterstück „Wie im Himmel“ im Innenhof des Ratzeburger Doms gesehen. Es basiert auf dem Film von Kay Pollak von 2005 und erzählt die Geschichte wie in einem schwedischen Dorf Gemeinschaft gelingt. Mit Geduld, mit Schmerz und Trost, mit Nähe und Verständnis. Ein ehemals berühmter Dirigent kommt nach einem burn-out in sein Heimatdorf , wird gedrängt einen Chor zu gründen und dann erzählt der Film, wie die Menschen unter seiner achtsamen Begleitung ihren Lebenston finden und Gemeinschaft erleben: Garbiella, die eingeschüchterte Hausfrau und Mutter, Lena, die mit ihrer Lebendigkeit und Direktheit die Herzen erobert und gleichzeitig verstört, die graue Maus Siv, die neidisch auf Lena ist, dem behinderten Thore, dem umtriebigen Arne und den von ihm jahrelang gehänselten Holmfrid. Aus diesem Haufen so unterschiedlicher Menschen, wird eine Chorgemeinschaft, die tatsächlich eines Tages, als es darauf ankommt auf einem Ton singt. Weil der Chorleiter und die Mitglieder des Chores einander lieben lernen. Und das meint nichts anderes als an jedem das zu schätzen, was er oder sie geben kann. Das meint nichts anderes als den Versuch, die Geschichte des anderen zu verstehen, einander ernst- und wahrzunehmen und an das eigene Leben heranzulassen.
Natürlich gibt es in diesem Dorf auch Menschen, denen das zu weit geht. Tragischerweise ist es gerade der Pastor, der seiner eigenen Sehnsucht nicht traut. Am Ende, als der Chorleiter gefragt wird, warum er bei diesen Menschen bleibt, antwortet er: Weil sie mich lieben. Und weil ich sie liebe. Wie im Himmel. Ein Film/ein Theaterstück mit märchenhaften Zügen, aber darin ist die Hoffnung aufgehoben, dass es möglich ist in einer gelingenden Gemeinschaft zu leben, mit unterschiedlichen Tönen, die miteinander klingen.
Das Hinhören und sich einlassen sind der Schlüssel damit das Chorprojekt gelingt und sie sind auch der Schlüssel für unser Miteinander.
Paulus skizziert in seinem Römerbrief einen Dreischritt, der in dem Film „Wie im Himmel“ zu entdecken ist und überall dort, wo wir gelingende Gemeinschaft suchen und erleben:
Schritt 1: Hinhören, sich einlassen, Geduld und Trost empfangen und Gott darum bitten, dass er uns stärkt. Die Lebensgeschichte des anderen mit aufrichtigem Herzen hören.
Schritt 2: Haltung annehmen und sich zusammenreißen, wenn es nicht gleich auf Anhieb klappt. Es wirklich wollen und dafür auch einmal das Eigene hinten anstellen. Sich einfügen und Unterschiedlichkeit aushalten.
Und dann:
Schritt 3: Den Segen empfangen. Spüren wie gut es tut, sich selbst und den anderen anzunehmen. Getragen zu sein. Liebe zu empfangen und zu geben.
„Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes.“(Römer 15,13)
Mit dieser Zusage schließt Paulus ab und verheißt Freude und Frieden, wenn wir uns darauf einlassen mit anderen gemeinsam zu leben und zu glauben. Das geht nicht zu jeder Stunde – aber wenn es funktioniert, fühlen wir uns wie im Himmel und von uns strahlt eine Hoffnung aus, die der Welt gut tut.
Viel Freude bei allen Weihnachtsvorbereitungen.
Gesegnete Weihnacht,
Ihre Pröpstin Frauke Eiben
zuständig für die Propstei Lauenburg