Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Pröpstin Kallies zum Jahreswechsel: Bleib beweglich in Deinem Denken

Pröpstin Kallies schreibt zum Jahreswechsel 2025/26. Copyright: Guido Kollmeier

Zum Jahreswechsel 2025/26 schreibt Petra Kallies, Pröpstin in Lübeck.

Ein „frohes neues Jahr“ wünschen wir einander. Die Optimisten verbinden damit „neue Chance, neues Glück“. Die Skeptiker brummeln: „Kann ja nur besser werden.“

Diesmal erzählt sogar die Jahreslosung davon: „Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu.“ Dieser Satz steht fast ganz am Ende der Bibel (Offenbarung 21, 5) und wurde schon vor einigen Jahren „ausgelost“ als ein geistliches Motto für 2026.

“Siehe, ich mache alles neu”

Von Erneuerung ist gerade viel die Rede. Reformen werden gefordert, um Missstände oder offenkundige Mängel zu beheben: im Gesundheitswesen, bei der Rente, der Verteidigung, der Migration, beim Umweltschutz – und auch in der Kirche. „Wenn wir meinen/unseren Vorschlag umsetzen würden, dann würde es vorangehen.“ Andere haben jedoch völlig andere Ideen. Es passt nicht zusammen, es gibt keine Mehrheiten. Verantwortlich für das Scheitern seien die anderen, darin sind sich alle einig. Alle sind genervt und gefrustet, denn eigentlich hat niemand mehr Lust auf diesen Stillstand.

Das wäre zu schön…

„Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu.“ Das wäre zu schön, wenn Gott diese Knoten lösen würde, die wir nicht mehr aufbekommen. Aber wir wissen: So leicht macht Gott es uns nicht. 

Vermutlich kennen Sie die kleine Geschichte, in der ein Mann einen Laden entdeckt, in dem es alles zu kaufen gibt, was man sich nur vorstellen kann. Hinter dem Ladentresen steht ein Engel. Der Mann holt seinen Wunschzettel heraus: ausreichend bezahlbarer Wohnraum, gesunde Nahrung für alle, das Ende aller Kriege, und, und, und. Der Engel antwortet: „Sie haben das leider missverstanden: wir verkaufen hier keine fertigen Produkte – wir verkaufen nur die Samen.“

In welchem biblischen Kontext steht eigentlich die Jahreslosung? Das Buch der Offenbarung erzählt in einer Fülle von Visionen, albtraum-artig, vom Ende aller Zeiten. Es beschreibt in Bildern und Symbolen, wie das Böse auf Erden überhandnimmt und Gott zum jüngsten Gericht erscheint. Und dann erst erstrahlt das Neue. Eine goldene Stadt, in der Not, Leiden und der Tod keinen Raum mehr haben. Denn: „Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu.“

Gott wird unter den Menschen wohnen

Mitten in dieser Stadt, so heißt es, wird Gott mitten unter den Menschen wohnen. „Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen.“ Ich habe lange gedacht, „Hütte“ sei als ein Understatement gemeint. Gottes Pracht, Gottes Wesen ist ja so viel größer, dass sogar der prächtigste Palast daneben nur wie eine einfache Hütte erscheint.

Der Blick in den griechischen Urtext jedoch weckt ganz andere Bilder. Das Wort „skenos“ bedeutet im ursprünglichen Sinn „Zelt“. Eine mobile Behausung, die an die Stiftshütte am Anfang der Bibel erinnert und die den Jüdinnen und Juden während der Wüstenwanderung als Heiligtum diente. Ein Zelt, das Tag für Tag ab- und aufgebaut wurde: Gott geht diesen beschwerlichen Weg mit und ist mitten unter uns.

Kein Gold, kein Glitzer

Nun, am Ende der Bibel, in der prächtigsten Stadt, die Menschen sich überhaupt vorstellen können, wohnt Gott immer noch in einem Zelt. Kein Gold, kein Glitzer. Einfach. Mobil. Leicht. Nur ein notdürftiger Schutz. Temporär. „Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu.“

Und da stehen sie mir plötzlich vor Augen. Zelte bis zum Horizont. So weit das Auge der Kamera reicht. Zeltstädte, in denen weltweit mehrere Millionen Menschen leben müssen. Als Folge von Klimakatastrophen, Obdachlosigkeit, Hungersnöten, Dürren oder Vertreibung.

Wenn wir uns fragen, wo Gott wohnt: genau da. Mitten unter ihnen. In einem Zelt. Gott wohnt dort, wo niemand hinwill.

Viele wünschen sich Erneuerung

„Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu.“ Viele von uns wünschen sich Erneuerung. Ich verstehe die Jahreslosung 2026 so: Bleib beweglich in Deinem Denken. Reg Dich nicht sofort auf, sondern hör erstmal zu und frage nach. Lass los, was Du eigentlich gar nicht (mehr) brauchst. Und frag Dich, bei wem Jesus jetzt gerade sein Zelt aufschlagen würde. Daraus könnten viele gute Ideen entstehen, die wir gemeinsam umsetzen könnten, zum Wohle aller.

Ich wünsche Ihnen und Dir einen gesegneten Jahreswechsel und ein friedvolles Neues Jahr 2026!