Am 10. Januar verabschiedet sich die Jahrhundertausstellung mit einer Kuratorenführung und einem feierlichen Abschlusskonzert in St. Aegidien.
Mit einer Kuratorenführung durch die Ausstellung und einem mittelalterlichen Abschlusskonzert in der Aegidienkirche am Sonntag, 10. Januar, verabschiedet sich die Jahrhundertausstellung Lübeck 1500. Kunstmetropole im Ostseeraum. Sie ist seit 20. September im Museumsquartier zu sehen. Bis Weihnachten hatten bereits rund 15.000 Menschen die Ausstellung besucht.
Am 10. Januar um 15 Uhr führen die Kuratoren Dr. Jan Richter und Dr. Jörg Rosenfeld gemeinsam durch die Schau. Rund eineinhalb Stunden geben sie noch einmal Einblicke in die faszinierende Entstehungsgeschichte der Ausstellung, erklären die interessantesten Exponate und machen deutlich, wie bedeutend Lübeck im Mittelalter als Standort für Kunstschaffende war. Die Teilnahme an der Führung kostet für Erwachsene 14 Euro (ermäßigt 12 Euro), für Kinder 8 Euro.
Das feierliche Abschlusskonzert findet um 17 Uhr in der Aegidienkirche statt. Das Ensemble „Capella de la Torre“ unter der Leitung von Katharina Bäuml spielt Stadtmusik aus der Zeit um 1500. Musiziert wird auf historischen Blasinstrumenten wie Schalmei, Pommer, Dulzian und Posaune. Der Eintritt kostet 18 Euro / ermäßigt 12 Euro. Karten gibt es an der Kasse des Museums.
Lübeck war im Mittelalter eine Hochburg für Künstler
"Lübeck war am Ende des Mittelalters eine Künstler-Hochburg", beschreibt Pröpstin Kallies die Bedeutung der Hansestadt um 1500. Noch bis zum 10.01.2016 zeigt die Schau in St. Annen, wie eng Kunst und Kirche miteinander verbunden waren. Mit rund 100 hochkarätigen Exponaten lässt die Ausstellung die ebenso kurze wie wichtige Zeitspanne von etwa 1470 bis 1540 wiederaufleben, als Lübeck nicht nur eine florierende Hansestadt, sondern die unangefochtene Kunstmetropole im gesamten Ostseeraum war. Auch die großen Lübecker Kirchen mit ihren einzigartigen Kunstschätzen sind Teil des großen Ausstellungsprojektes. Bei dem sicherlich größten und wohl bekanntesten Ausstellungsstück handelt es sich um das Triumphkreuz von Bernt Notke im Lübecker Dom.
Mit „Lübeck 1500“ widmet sich erstmals eine Ausstellung der faszinierenden Zeitspanne um 1500 in der Hansestadt, als Kirchen, Kapellen und Klöster ein letztes Mal in dieser Fülle mit neuen, prächtigen Kunstwerken ausgestattet wurden. Es ist eine Zeit des Wandels und der Brüche, die mit der einsetzenden Reformation einhergingen. Die Ausstellung erzählt aber auch vom Glauben und von der Frömmigkeit der Lübecker Bürger um 1500, die zur Rettung ihres Seelenheils und nicht zuletzt zu ihrer Repräsentation aufwändig gearbeitete Altäre, Skulpturen, Tafelgemälde oder auch kostbare Goldschmiedearbeiten in Auftrag gaben. Hochgeschätzte Meister wie Bernt Notke, Hermen Rode, Henning van der Heyde, Claus Berg oder Benedikt Dreyer prägten das Kunstschaffen in Lübeck vor dem Epochenwechsel. "Die Ausstellung versammelt nicht nur kunsthandwerkliche Highligths aus dem gesamten Ostsseeraum im historischen Setting des St. Annen-Museums", so Kallies, "sondern wagt einen Schritt aus dem Museum hinaus, in unsere heutige Welt des gelebten Glaubens und zeigt sakrale Kunst." Laut Kallies war Lübeck am Ende des Mittelalters eine Künstler-Hochburg. Das endete mit der Reformation: es bestand kein weiterer Bedarf an neuen Ausstattungsstücken wie Reliquienschreinen, Seitenaltären für „Winkelmessen“ und anderes.
Zu den herausragenden Exponaten der Ausstellung zählen spektakuläre Werke wie drei filigrane Georgsreliquiare aus Elbing und Riga, monumentale Altarretabel, darunter der von Hans Memling in Brügge gemalte Greveraden-Altar aus dem Lübecker Dom, sowie Arbeiten der süddeutschen Meister Veit Stoß und Tilman Riemenschneider, die Lübecker Künstlern als Vorbild dienten. Erstmals werden in der Ausstellung die Zeugnisse dieser besonderen Blütezeit zusammengeführt. Dabei werden auch die vielfältigen Bezüge zwischen den in Lübeck wirkenden Künstlern, Werkstätten und Auftraggebern thematisiert sowie ihre Strategien und überregionalen Einflussbereiche aufgezeigt. Bedeutende Leihgaben kommen unter anderem aus dem Bodemuseum in Berlin, dem Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, der Pinacoteca di Brera in Mailand, dem Nationalmuseum in Kopenhagen und dem Historischen Museum in Stockholm.
Als führende Hansemacht bot Lübeck besonders in den letzten Jahrzehnten vor der Einführung der Reformation im Jahre 1531 optimale Voraussetzungen für die Kunstproduktion und die Ansiedlung von Künstlern. Kaufleute und Bruderschaften übertrafen sich in ihren Stiftungen, die prächtige Flügelaltäre, Tafelgemälde, Skulpturen oder Goldschmiedekunst umfassten. Die Kuratoren Dr. Jan Friedrich Richter und Dr. Jörg Rosenfeld sind sich einig: "Lübeck 1500" zeigt, welchen hohen Stellenwert die Kunstproduktion vor 500 Jahren in der Hansestadt einnahm und welche enorme Strahlkraft sie auf den gesamten Ostseeraum hatte." Dank der außergewöhnlich guten Überlieferung an erhaltenen Kunstwerken und Archivalien in Lübeck und der wissenschaftlichen Forschungen in den letzten Jahren könne die Ausstellung ein differenziertes Bild dieses einzigartigen Kunstbetriebs im Lübeck des Spätmittelalters zeigen. "Zugleich wird deutlich, wie schnell sich Parameter ändern können und wie Künstler und Werkstätten der damaligen Zeit auf veränderte Bedingungen reagiert haben."
Die Hinwendung zur Reformation führte zu einem grundlegenden Wandel, der Auswirkungen auf die gesamte Kunstproduktion und somit auf die in der Hansestadt arbeitenden Künstler hatte: Von den vielen in Lübeck tätigen Künstlern konnte nur der Maler Hans Kemmer, ein aus Wittenberg eingewanderter Schüler von Lucas Cranach d.Ä., seine Werkstatt in Lübeck aufrecht erhalten.
Lübeck und der Buchdruck
Als die traditionellen Bildgattungen innerhalb kurzer Zeit infolge der reformatorischen Ablehnung der Bilderverehrung bedeutungslos wurden, konzentrierte sich das künstlerische Schaffen fast ausschließlich auf den Buchdruck. Schon kurz nach seiner Erfindung ließen sich um 1470 die ersten Drucker, begünstigt durch die weitverzweigten Handelsnetze, in Lübeck nieder. Das weitgefächerte Angebot umfasste Messbücher, Gesetzestexte, aber auch Versromane wie den Reineke Fuchs. Durch Aufträge aus dem gesamten Ostseeraum entwickelte sich Lübeck in der Folgezeit zu einem überaus bedeutenden Zentrum des frühen Buchdrucks in Norddeutschland.
Umgang mit den Bildern
Im Unterschied zu anderen reformierten Städten blieb die Hansestadt von Bilderstürmen weitestgehend verschont. Die alten Altaraufsätze verloren zwar ihre ursprüngliche Bedeutung und Funktion, doch ließ man sie stehen und pflegte sie über die Jahrhunderte. Diesem Umstand ist der außergewöhnlich große und gut erhaltene Bestand mittelalterlicher Zeugnisse in der Hansestadt zu verdanken. "„Lutherische“ Reformation unterschied sich von der „Schweizerischen“ Reformation auch in ihrer Haltung zu den Bildern", erklärte Pröpstin Kallies. "Während die Schweizer die radikalere Position vertraten: alles, was nicht mehr gebraucht wird, kommt weg, vertraten die Lutheraner die Ansicht: alles, was nicht stört, aber theologisch haltbar ist, kann bleiben. Dass wir angesichts dieses kirchengeschichtlichen Einschnitts in unseren Kirchen und in St. Annen-Musem heute trotzdem so viele wertvolle und großartige Kunstwerke aus dem 15. Jahrhundert bewundern können, ist also ein großes Glück – und sicherlich auch Zeugnis einer gewissen kaufmännischen Mentalität."
Die Vielfalt und Qualität der in Lübeck entstandenen Kunstwerke lässt sich noch heute im St. Annen-Museum nachvollziehen. Dem Engagement der Lübecker Bürger ist es zu verdanken, dass hier einer der bedeutendsten mittelalterlichen Sammlungsbestände im Ostseeraum bewahrt wird. Dank der großzügigen Förderung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstiftung der Länder konnten im Vorfeld der Ausstellung zahlreiche Exponate restauriert und konservatorisch bearbeitet werden, darunter das Hans Kemmer zugeschriebene Porträt des 1548 verstorbenen Hermann Bonnus, dessen monumentaler Schriftrahmen erst kürzlich wiederentdeckt werden konnte.
Wege durch die Lübecker Ausstellung
Die Ausstellung im Museumsquartier St. Annen lädt den Besucher dazu ein, sich die verschiedenen Themenräume selbständig zu erschließen. Ausstellungsobjekte und Informationen sind so angeordnet, dass sie eigenständige, in sich abgeschlossene Bild- und Erzählräume ergeben. Ein Hauptweg durch die mittelalterlichen Ausstellungsräume des St. Annen-Museums und die moderne Architektur der Kunsthalle St. Annen ist nicht festgeschrieben. Außerhalb des Museumsquartiers sind es neben dem Dom die nahe gelegenen Innenstadtkirchen St. Aegidien, St. Jakobi und St. Marien sowie das Heiligen-Geist-Hospital, die ihre Kunstschätze an ursprünglicher Stätte präsentieren.