St. Jürgen: Das Schrottkreuz in der Lübecker Kreuzkirche, 14.04.2017

Es ist kaputt, dunkel und irgendwie hässlich. Weggucken geht nicht. Seit vielen Jahren spielt das Schrottkreuz in der Karwoche bei der Kreuzkirche Lübeck eine Rolle. Auch 2017.

Es ist kaputt, dunkel und irgendwie hässlich. Weggucken geht nicht. Seit vielen Jahren spielt das Schrottkreuz in der Karwoche bei der Kreuzkirche Lübeck eine Rolle. Auch 2017. Viel ist nicht da, auf dem die Augen sich ausruhen könnten. Und der Kopf fragt sich, was das da vorn im Altarraum soll? Ist das Kunst? Ein Ganzes ist es nicht. Das Oben gehört nicht zum Unten. Es hat mehr Fläche als Tiefe. Dicke Nähte verbinden einzelne Stücke zu einem – was ist es?

Es ist ein Kreuz, eine Raumplastik aus Metall. Sie stand seit Aschermittwoch im Altarraum der Lübecker Kreuzkirche. Die älteren Kirchgänger kennen es, die Konfirmanden aber sind überrascht – sonst steht da ein anderes Kreuz.

Von Beginn hat das Kreuz des Bildhauers Heinrich-Werner Petersen für Kontroversen gesorgt. Ein fremdartiger Gegenstand, der betroffen macht, Unbehagen schafft und innere Abwehr hervorgerufen hat. „Schrottkreuz“ haben es die Menschen schnell genannt und wollten es nicht in ihrer Kirche haben. Das Kreuz sei ein Symbol für Trost, Zuversicht und Freude. Zwei Seiten einer Medaille – ohne das Hässliche gäbe es das Schöne nicht. Ohne den Verrat, die Qual und den Tod gäbe es die Auferstehung nicht. Ohne Karfreitag kein Ostern.

Vor Karfreitag waren noch Blumen, die geöffnete Bibel und Kerzen auf dem Altar. An Karfreitag aber wurden auch diese abgeräumt. „Wir feiern eine Andacht zur Todesstunde Jesu um 15 Uhr“, sagt Pastorin Christine Oldemeier. Während der Andacht wurde der Altar abgeräumt, die Kerzen gelöscht. Dann war nur noch das Schrottkreuz da. Kaputt, zerbrochen, fertig für die Tonne – manch einer mag in diesem Moment die eigenen Risse spüren. Lebensbrüche. Fertig mit allem sein. Karfreitag macht das deutlich, ohne am Ende eine Lösung zu haben. Aushalten, durchhalten – aber nicht allein. Denn Ostern kommt, das ist sicher.

Dann zog die Plastik wieder um – auf ihren Platz im Vorraum der Kirche. Sie machte Platz für das strahlende Kreuz – vollkommen, hell und schön.

Weitere Info:
In der Lübecker Kreuzkirche, Billrothstraße 1, wurde am Karfreitag, 14. März 2017, um 15 Uhr eine Andacht zur Todesstunde Jesu gefeiert. Die Andacht war einfach, still und meditativ und wurde mit den Bildern und Texten des Jugendkreuzweges gestaltet.