St. Marien: Drei lokale Themen in Nordkirchen-Ausstellung, 20.11.2016

"Neue Anfänge nach 1945?": Noch bis zum 20. November 2016 ist die Wanderausstellung der Nordkirche in der Lübecker Marienkirche zu sehen.

Mit einem politischen Nachtgebet hat die Kirchengemeinde St. Marien die Ausstellung „Neue Anfänge nach 1945? Wie die Landeskirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen“ eröffnet: Ein Jahr lang wandert die Ausstellung durch die Nordkirche. Noch bis zum 20. November 2016 macht sie in der Marienkirche Station.

Am Freitag, 18. November 2016 findet im Rahmen der Ausstellung um 19 Uhr, ein Vortrag statt. Prof. Dr. Martin Greschat, Münster referiert über „die Ostdenkschrift der EKD (1965) als Wegbereiterin eines neuen Europa“. Treffpunkt ist in St. Marien.
Besonders interessant ist das lokale Fenster der Ausstellung. Die Historikerin Dr. Karen Meyer-Rebentisch hat drei Themen ausgearbeitet.

„Der umstrittene Märtyrer“ beleuchtet die kirchliche Rezeption von Pastor Karl-Friedrich Stellbrink. Er war Pastor an der Lutherkirche im Lübecker Stadtteil St. Lorenz-Süd.Nach Palmarum 1942 stellte er sich öffentlich gegen das Nazi-Regime. Er wurde verhaftet und zusammen mit drei katholischen Geistlichen hingerichtet. „Bereits vor seiner Verhaftung wurde Stellbrink bereits von seinem Dienst suspendiert“, sagt Dr. Karen Meyer-Rebentisch. Erst 1993 wurde er von der evangelischen Kirche rehabilitiert.

Zweites Thema des lokalen Fensters ist St. Marien selbst –die 700-Jahr-Feier fand in der vom Krieg gezeichneten Kirche statt. „St. Marien ist selbst ein kraftvolles Symbol“, so Meyer-Rebentisch. Für viele Lübecker bedeuten die Doppeltürme Heimat – bis heute. Auch den Geflohenen aus dem Ostseeraum vermittelte die Mutter des Backsteinkirchenbaus Erinnerungen an Zuhause, an eine verlorene Heimat. So lässt sich erklären, warum bereits in den ersten Nachkriegsjahren der Wiederaufbau der Kirche begann. Denn eigentlich hatten die Menschen andere Nöte, als ein zerstörtes Gebäude dieser Dimension zu retten: Kleidung, Wohnung und das tägliche Brot. So beschäftigt sich das lokale Fenster mit der 700-Jahr-Feier von St. Marien und dem Tag der zerstörten Heimatkirche 1951. 

„Ankommen, einfinden, neu beginnen“ ist die Überschrift zur Rolle Lübecks als Flüchtlingsgroßstadt. Etwa 90000 Vertriebene haben nach dem zweiten Weltkrieg eine neue Heimat in der Hansestadt gesucht. Jedes verfügbare Fleckchen Wohnraum wurde genutzt, Lager wurden zum vorübergehenden Heim. „Sie alle mussten kirchlich versorgt werden“, sagt Karen Meyer-Rebentisch. Eine riesige Herausforderung, denen die Pastoren zunächst mit Klappkreuz, Aktentasche und geliehenem Abendmahlsgeschirr begegneten. Später entstanden neue Kirchen, wie St. Christophorus im Lübecker Stadtteil Eichholz.

Der Besuch der Ausstellung ist kostenlos. Sie ist von Montag bis Sonnabend zwischen 10 und 17 Uhr und am Sonntag von 11.30 bis 17 Uhr zu sehen. Weitere Informationen zur Ausstellung gibt es auch online unter www.st-marien-luebeck.de und www.nordkirche-nach45.de
Anmeldung für Schulklassen sind Frau Spitzer per E-Mail: spitzer-im@versanet.de möglich.

Viele Infos gibt es auf der Internetseite der Ausstellung "Neue Anfänge nach 1945?"

Weitere Info:
„Neue Anfänge nach 1945?“ Unter diesem Titel geht eine Wanderausstellung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland der Frage nach, wie der Neuanfang nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Bereich der Kirche verstanden und in die Wege geleitet wurde. Betrachtet wird der Zeitraum zwischen 1945 und 1985.

Wie wurden in den nordelbischen Kirchen das Kriegsende und die militärische Niederlage Deutschlands empfunden und gedeutet? Wie konsequent versuchte man, mit den menschenverachtenden Sichtweisen und Denkmustern des Nationalsozialismus zu brechen? Welche personellen und inhaltlichen Kontinuitätslinien aus der NS-Zeit waren weiterhin wirksam? Wann und auf welche Weise konnten sich neue Weichenstellungen durchsetzen?

In sechs Themenfeldern dokumentiert die Ausstellung, in welcher Weise sich die im lutherischen Norden lange Zeit vorherrschende nationalprotestantische Mentalität, die die Hinwendung zum Nationalsozialismus gefördert hatte, nach 1945 zunächst wieder durchsetzte und Wirkungsmacht entfaltete. Im Vordergrund stehen konkrete Fälle und Beispiele aus den nordelbischen Landeskirchen und Gemeinden. Gezeigt wird auch der mühevolle Weg von Auseinandersetzung und Dialog über Jahrzehnte, der schließlich zu einer Veränderung der Kirche führte.