Thema Suizid – Konfis gestalteten Gottesdienst am 18. November 2012

Sie geschehen oft unbemerkt und leise. Die Erschütterung und Fassungslosigkeit danach ist bei Eltern, Freunden, Lehrern und Klassenkameraden groß. Das Thema Suizid bei Jugendlichen erfährt derzeit durch aktuelle traurige Fälle immer größere Aufmerksamkeit.

Sie geschehen oft unbemerkt und leise. Die Erschütterung und Fassungslosigkeit danach ist bei Eltern, Freunden, Lehrern und Klassenkameraden groß. Das Thema Suizid bei Jugendlichen erfährt derzeit durch aktuelle traurige Fälle immer größere Aufmerksamkeit. Doch was steht hinter diesen Tragödien? Warum wollen junge Menschen, die an der Schwelle zum Erwachsenenalter stehen, nicht mehr leben? Was macht für sie das Leben zum Alptraum?

Diesen Fragen gingen  Konfirmandinnen und Konfirmanden im Alter von 13 bis 15 Jahren der Paul-Gerhardt-Gemeinde nach. Fünf Monate lang malten, schrieben und probten sie für den Jugendgottesdienst, der am Volkstrauertag, dem 18. November um 10 Uhr unter dem Motto „Wenn ich nicht mehr weiter weiß“ in der Paul-Gerhardt-Kirche stattfand.

Gemeinsam mit Diakonin Cordula Zimmer-Kirchhoff haben die Jugendlichen verschiedene Stationen erarbeitet, die im Anschluss an den Gottesdienst als Ausstellung gezeigt werden: Bilder, die negative Gefühle wie Angst und Wut ausdrücken, Bildergeschichten über Traurigkeit, Verzweiflung und Resignation, Infotafeln zum Thema Suizid und eine Auflistung von Hilfsangeboten. Im Gottesdienst selbst zeigen die Konfirmanden Rollenspiele: „Die Texte dafür haben die Jugendlichen selbst geschrieben. Mir lag das Thema sehr am Herzen und ich bin stolz über das Ergebnis“, sagt Cordula Zimmer-Kirchhoff. Inhalte sind Mobbing, Tod von Angehörigen, Liebeskummer und Signale, die einen Suizid ankündigen – aber oft nicht wahr oder ernst genommen werden.

Für die Mädchen und Jungen war die Recherche zum Thema Suizid überraschend: So fanden sie heraus, dass Suizid die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen ist und sich in Deutschland täglich drei junge Menschen das Leben nehmen. Mädchen wollen drei Mal öfter sterben als Jungen – sie überleben durch die nicht selbst verletzende „weiche Variante“ mit Tabletten jedoch häufiger. Jungen hingegen wählen die „harte Variante“, die dreimal öfter als bei Mädchen zum Tode führt.

Dass das Thema nicht spurlos an den Lübecker Konfirmanden vorbei geht, steht ihnen in den Gesichtern geschrieben und ist ihren Worten zu entnehmen: „Ich habe mich durch die Beschäftigung mit Suizid verändert – ich bin aufmerksamer und sensibler für meine Umwelt geworden. Und ich bin erschrocken, wie viele Jugendliche Selbstmord begehen“, sagt etwa der 14-jährige Erik Simon. Auch die 15-jährige Macy Neupert wird das Thema künftig ernster nehmen: „Wenn jemand sagt, dass er sich umbringen will, dann werde ich ihm das glauben und versuchen, ihm zu helfen“. Das sieht auch Merle Henze (14) so: „Man muss in dem Moment helfen, wo der Hilferuf passiert“.

Allen Jugendlichen gemeinsam ist die erhöhte Aufmerksamkeit und auch die Erschütterung über das traurige Thema. Sie konnten sich durch die Rollenspiele in Jugendliche einfühlen, die gemobbt werden, Liebeskummer oder sonstige (familäre) Probleme haben.

Suizid ist auch für Bischöfin Kirsten Fehrs ein wichtiges Thema unserer Zeit. Sie fordert, das Tabu-Thema ins Licht zu holen. Es werde zu wenig über Selbsttötung gesprochen und sich zu wenig um die zurückgebliebenen Angehörigen gekümmert.

In Deutschland sterben nach Angaben des Nationalen Suizid-Präventions-Programms fast 10.000 Menschen durch Freitod. Das sind mehr Opfer als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen. Mehr als 100.000 Angehörige und Freunde sind jedes Jahr von den Suiziden betroffen und bleiben mit Fragen ohne Antworten zurück.

 

Foto: Rike Aumüller, Gesa Steinkühler, Friederike Krog, Merle Henze und Macy Neupert (v. li.) mit ihren Bildergeschichten zum Thema Suizid.