Armut macht krank und verkürzt Lebenszeit. Das ist durch statistische Fakten begründet. Gegensteuern wollen unter anderem die rund 80 Teilnehmenden der 7. Lübecker Armutskonferenz unter der Überschrift „Armut als Krankheitsrisiko
Armut macht krank und verkürzt Lebenszeit. Das ist durch statistische Fakten begründet. Gegensteuern wollen unter anderem die rund 80 Teilnehmenden der 7. Lübecker Armutskonferenz unter der Überschrift „Armut als Krankheitsrisiko– Krankheit als Armutsrisiko“. Sie trafen sich einen halben Tag lang in der Kirchenkanzlei. Veranstalter waren die Lübecker Wohlfahrtsverbände, des Jobcenter Lübeck, das Frauenbüro, der DGB, das Forum für Migratinnen und Migranten und weitere Partner. Im Namen des gastgebenden Ev.-luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg und der Gemeindediakonie begrüßte Pröpstin Frauke Eiben die Teilnehmenden, darunter zahlreiche Vertreter aus Politik und Verwaltung in der Hansestadt.
Erstmals war die Konferenz als sozialpolitischer Fachtag mit einzelnen Workshops gestaltet. Nach einem Impulsvortrag von Dr. Hans-Jürgen Marcus, Diözesan-Caritasdirektor in Hildesheim, diskutierten die Teilnehmer spezielle Themen in den von Experten moderierten Workshops „Migration und Krankheit“ (Irene Böhme, Gesundheitsamt Lübeck), „Krankheitsrisiko von armen Kindern“ (Dr. Kaschlin Butt, Gesundheitsamt Lübeck), „Finanzielle Folgen von Krankheit“ (Vivien Wolgast, Jobcenter Lübeck, und Volker Langhans, Bereich Soziale Sicherung) und „Prävention (Ernährung / Bewegung; Selvihan Koc, Verbraucherberatung Kiel)“. Ergebnisse und Forderungen an die Politik wurden abschließend im Plenum gemeinsam besprochen. Im Hof parkte derweil das Gesundheitsmobil der Gemeindediakonie und der Johanniter, in den Pausen standen hier die beiden hauptamtlichen Mitarbeitenden für Fragen zur Verfügung.
Hans-Jürgen Marcus, früherer Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, hatte während seines Vortrags eine Aufstellfigur namens „Andreas S.“ neben sich platziert, stellvertretend für alle Langzeitarbeitslosen. „Stell mich an, nicht ab“ war auf der schwarzen Figur zu lesen. Es gehe bei Armut um „Teilhabe an der Gesellschaft“, betonte Marcus. Diese habe „tiefgreifend mit materiellen Möglichkeiten“ zu tun. 70 Prozent aller Arbeitslosen hätten ein Armutsrisiko. Bei Alleinerziehenden liege die Gefahr bei 43 Prozent – dies sei „skandalös“. Der streitbare Theologe belegte eindrucksvoll den Zusammenhang zwischen Armut, Bildung und Gesundheit. Er sprach sich für Reformen des Gesundheitssystem und der Arbeitsmarktpolitik aus, forderte unter anderem eine Bürgerversicherung und eine Kindergrundsicherung.
Diese Forderungen wiederholten die Teilnehmer in den Workshops. Zu den weiteren Vorschlägen an Kommune, Land und Bund gehörten städtisch verankerte kultursensible Hilfeangebote für Migranten, eine bessere Vernetzung der Familienzentren mit gesundheitsfördernden Maßnahmen sowie eine Vernetzung der Jugendhilfe, präventive, flächendeckende kinderärztliche Untersuchungen, die breite Institutionalisierung von Sport und gesunder Ernährung sowie eine frische Essenszubereitung in den Kitas. In einem wesentlichen Punkt herrschte ebenfalls Einigkeit: Gesundheitliche Bildung solle gesetzlich verankert sein.
Foto: Der Hildesheimer Theologe Dr. Hans-Jürgen Marcus hielt einen Vortrag über die Zusammenhänge zwischen Armut und Krankheit.