Prävention
"Wie kann man bei dem Thema sexualisierte Gewalt präventiv agieren?", "Was ist eigentlich sexualisierte Gewalt?" oder "Liegt es im Rahmen unserer Möglichkeiten etwas zu tun, was sexualisierte Gewalt verhindert, wenn wir nicht wissen, von wem diese möglicherweise ausgeht?" Das sind Fragen, die uns immer wieder begegnen.
Im Folgenden finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Themenbereich Prävention. Sollte Ihre Frage nicht dabei sein oder sollten sich aus diesen Antworten weitere Fragen ergeben, zögern Sie nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Wir freuen uns von Ihnen zu hören.
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Eine einheitliche Definition für den Begriff der sexualisierten Gewalt gibt es nicht. Die folgenden Erläuterungen der gängigen Begrifflichkeiten sollen verdeutlichen, auf welche Formen gewaltvollen Handelns sich die Präventionsangebote insbesondere beziehen.
Unter (sexuellen) Grenzverletzungen sind einmalige oder gelegentlich auftretende, unangemessene Verhaltensweisen oder pädagogisches Fehlverhalten zu verstehen, wie zum Beispiel die Missachtung persönlicher oder körperlicher Distanz oder das Verwenden von sexistischer Sprache. (Sexuelle) Grenzverletzungen können gezielte Vorbereitungshandlungen für sexualisierte Gewalt sein und sind somit keineswegs zu bagatellisieren.
Sexualisierte Gewalt beschreibt jedes Verhalten, das vorsätzlich in die sexuelle Selbstbestimmung eines anderen Menschen ohne Einwilligung oder die Fähigkeit zur Einwilligung eingreift. Die Befriedigung der eigenen (nicht ausschließlich sexuellen) Bedürfnisse der Täter:innen ist oberstes Interesse. Die Übergänge von Grenzverletzungen zu sexualisierter Gewalt können fließend sein. Nicht alle Verhaltensweisen, die unter der Begrifflichkeit der sexualisierten Gewalt zu verstehen sind, sind strafrechtlich relevant.
Strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt sind unter dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB) „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ gefasst. Am häufigsten kommen der sexuelle Missbrauch von Kindern (§ 176 StGB), der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern (§ 176a StGB), sexuelle Übergriffe, sexuelle Nötigung und Vergewaltigungen (§ 177 StGB) sowie die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornographischer Schriften (§ 184 b StGB) vor.
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Um präventiv vorgehen zu können, benötigt es zunächst Wissen darüber, welchem Verhalten vorgebeugt werden soll. Insofern ist es uns ein wesentliches Anliegen, die Menschen zu informieren und in Austausch zu bringen. Wir bezeichnen dieses Vorgehen als Sensibilisierung. Dieses Wissen wird angewandt auf die unterschiedlichen Bereiche einer Kirchengemeinde oder Institution (z.B. den Bibelkreis oder ein bestimmtes Beratungsangebot). Die schwierigen Situationen oder Gegebenheiten werden ebenso unter die Lupe genommen wie die vorhandenen Potenziale (Potenzial- und Risikoanalyse). Das Ziel hierbei ist es zum einen, die Potenziale bewusst als solche wahrzunehmen. Zum anderen werden Möglichkeiten gefunden und vereinbart, die schwierigen Situationen und Gegebenheiten so gering wie möglich zu halten, sich aber auch diesen bewusst zu sein. Dies ermöglicht im Zusammenspiel eine andere Art des Hinsehens.
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Um sexualisierter Gewalt vorzubeugen bedarf es in erster Linie einer Sensibilität für die Gelegenheiten für (sexuelle) Übergriffe und Grenzüberschreitungen. Menschen zu vertrauen ist unbedingt wichtig und Verhaltensweisen auch unabhängig vom Grad des Vertrauens zu betrachten ist ein wesentlicher Bestandteil eines präventiven Vorgehens. Insofern stehen die einzelnen Menschen, die bestimmte Aufgaben übernehmen, nicht im Fokus der Bewertung, sondern die Tätigkeiten, die mit dieser Aufgabe verbunden sind.
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Ein Schutzkonzept besteht aus mehreren Bestandteilen. Diese setzen auf verschiedenen Ebenen an und haben alle zum Ziel, sexualisierte Gewalt zu minimieren und somit (uns anvertraute) Menschen zu schützen. Die Bestandteile sind in zwei Kategorien zu unterteilen:
- Maßnahmen für die Prävention und
- Maßnahmen für die Intervention bei Verdachtsfällen
Die Erarbeitung eines Schutzkonzeptes ist im Wesentlichen ein Prozess, in dem es darum geht, an der eigenen präventiven Haltung zu arbeiten. Aufgrund dessen ist es wenig ratsam, sich der fertigen Schutzkonzepte anderer zu bedienen. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Themenfeldern ist in der Erarbeitung unabdingbar.
Die zentralen Elemente eines Schutzkonzeptes sind folgende:
- Partizipation
- Potenzial- und Risikoanalyse
- Verhaltenskodex
- Präventive Maßnahmen für Haupt- und Ehrenamtliche
- Präventionsangebote für Kinder und Jugendliche
- Sexualpädagogisches Konzept
- Beschwerdemanagement
- Handlungs-und Notfallplan
- Vernetzung und Zusammenarbeit mit spezialisierten Fachberatungsstellen
- Festschreibung und Kommunikation der Verantwortung für Prävention
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Es ist bekannt, dass es auch in der Nordkirche zu Grenzverletzungen bis hin zu sexualisierter Gewalt kam und auch heute noch kommt. Als evangelische Kirche haben wir eine besonders hohe Verantwortung bei diesem Thema aktiv zu werden. Die Beschäftigung mit der Prävention gegen sexualisierte Gewalt setzt nicht voraus, dass es bereits sexualisierter Gewalt gab in der einzelnen Kirchengemeinde oder Einrichtung.
Denn: Gemeinde- und Gottesdienstarbeit, Seelsorge, Konfirmandenunterricht, Jugendarbeit, Freizeiten, Kindertagesstätten, evangelische Schulen und Horte, Pfadfinder:innen, Kirchenmusik, Auslandsarbeit in Partnergemeinden, Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen, mit alten, kranken oder geflüchteten Menschen – all dies und noch vieles mehr gehört zu den Angeboten kirchlicher und diakonischer Arbeit. Die enge Beziehungsarbeit, die in Kirche stattfindet, ist hierbei Stärke und Schwäche zugleich. Große Nähe birgt auch das Risiko, dass enge und vertrauensvolle Bindung missbraucht und Menschen großer Schaden zugefügt wird.
Das Bewusstsein, welches durch die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten entsteht, ermöglicht es, genauer hin zu sehen und handlungsfähig zu bleiben, wenn gewaltvolles Verhalten erlebt, beobachtet oder davon berichtet wird. So, und nur so, können wir als Kirche den Schutz bieten, den wir bieten wollen. Wegsehen und verleugnen hilft den Täter:innen.
Uns als Fachstelle ist es wichtig, Sie darin zu unterstützen, verantwortungsvoll im Sinne der (potenziell) Betroffenen zu handeln!
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Wir legen Wert darauf, Sie in der Erarbeitung eines maßgeschneiderten Schutzkonzeptes zu unterstützen. Dazu schauen wir uns mit Ihnen Ihre Kirchengemeinde oder Institution in ihrer Komplexität an. Setzen Sie sich hierzu gerne mit uns in Verbindung.
Wir gehen davon aus, dass Sie schon jetzt vieles im Sinne eines fundiert erarbeiteten Schutzkonzeptes leben und umsetzen. Selbstverständlich soll dies einen angemessenen Platz in der Bestimmung eines für Sie guten Vorgehens finden.
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Die Erarbeitung eines sexualpädagogischen Konzeptes ermöglicht die gemeinsame Bestimmung darüber, wie mit der sexuellen Entwicklung oder auch mit der Tatsache, dass unsere Gegenüber (und somit auch die uns Anvertrauten) sexuelle Wesen sind, umgegangen wird und werden soll. Dies reicht von der Frage, welche Begriffe z.B. für die Geschlechtsmerkmale oder den Geschlechtsverkehr genutzt werden bis hin zu der komplexeren Frage, welche Formen der Ausübung (sexueller) Handlungen in welcher Form erlaubt sind (z.B. „Bei Doktorspielen dürfen Kinder sich nichts gegenseitig in Körperöffnungen einführen.“ oder „Verpartnerten Jugendlichen ist es erlaubt, sich in der Einrichtung zu küssen.“). Wesentlich ist dies, weil durch nähere Bestimmung deutlich wird, wann welches Verhalten als Übergriff gewertet werden wird. Dies gibt nicht nur den Mitarbeitenden Sicherheit sondern ebenso den uns Anvertrauten.