Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Eine Verpflichtung für die Gegenwart

Das Ehepaar Elisabeth und Wilhelm Jannasch im Kreis der Familie. Copyright: KKLL

Lübeck. Mit einer Gedenkstätte wird künftig in St. Aegidien zu Lübeck an den Pastor Wilhelm und seine Ehefrau Elisabeth Jannasch erinnert. Das Ehepaar hatte sich im Dritten Reich für den Schutz und die Flucht verfolgter Jüdinnen und Juden eingesetzt. Im Rahmen des Festaktes mit hundert Gästen sind jetzt drei Gedenktafeln enthüllt worden.

Jannasch-Festakt in St. Aegidien zu Lübeck

„Wilhelm und Elisabeth Jannasch haben sich trotz Gefahr für ihr eigenes Leben mutig für das Leben anderer Menschen und für Gerechtigkeit eingesetzt. Sie gaben damit damals und geben uns auch heute noch ein Beispiel dafür, was es heißen kann, sich aus dem christlichen Glauben heraus für die Würde und das Leben aller Menschen einzusetzen. Es berührt mich deshalb sehr, dass ihrer beider zukünftig mit drei Gedenktafeln in St. Aegidien gedacht wird“, erklärte die Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, angesichts dieser besonderen Ehrung.

Landesbischöfin: "Noch viel aufzuarbeiten"

Sie betonte: „Der Lebensweg von Wilhelm und Elisabeth Jannasch, ihr mutiger und offener Widerspruch zur nationalsozialistischen Ideologie und deren unverhohlenem Antisemitismus sowie die damaligen Reaktionen der Lübecker Kirche auf das Handeln von Ehepaar Jannasch zeigen aber auch, dass wir im Blick auf unsere Geschichte, auch in der Nordkirche, noch viel aufzuarbeiten haben. Die selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit sind wir denen schuldig, die damals zu entrechteten Opfern gemacht, verfolgt und ermordet wurden. Zugleich ist sie auch Voraussetzung für die eigene Glaubwürdigkeit. Dem Wunsch nach Gedenken und Aufarbeitung werden wir nur nachkommen können, wenn wir uns der historischen Aufarbeitung stellen, sie aktiv mit betreiben und unterstützen und dabei auch die Frage nach Schuld und Verantwortung nicht ausklammern.“

Die Gedenktafeln in St. Aegidien sollen das Leben und Wirken des Ehepaars Jannasch nachzeichnen – von seinen Anfängen in Lübeck über seinen Einsatz in Berlin und Mainz.  „Es ist ganz erstaunlich, dass es über viele Kollegen Jannaschs aus seiner Zeit noch heute viele Legenden und Anekdoten gibt. Von Jannasch gab es nichts“, erinnerte sich Thomas Baltrock, Pastor in St. Aegidien.

Ehrung als "Gerechte unter den Völkern"

Vor vier Jahren stellte die Kirchengemeinde nach intensiver Forschung den Antrag an die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Wilhelm und Elisabeth Jannasch als „Gerechte unter den Völkern“ aufzunehmen. „Ich kann Ihnen sagen, als vor drei Jahren der Brief aus Jerusalem im Pastorat ankam, das war einer der bewegendsten Momente meines pastoralen Lebens“, sagt Thomas Baltrock. Er verspricht: „Wir werden die beiden ehren, in dem wir die Erinnerung an sie in die Öffentlichkeit tragen. Wir werden in Zukunft jungen Menschen und Besuchern unserer Kirche mit den Gedenktafeln dokumentieren, dass die Zeiten damals nicht nur schwarz waren, sondern dass es einzelne Lichtblicke gab.“

Wilhelm Jannasch (1888 – 1966) wirkte von 1914 bis zu seiner erzwungenen Versetzung in den Ruhestand 1934 durch die Nationalsozialisten als Pastor in St. Aegidien zu Lübeck. Schon früh, 1931, positionierte sich Jannasch gegen die NS- Ideologie und wies öffentlich auf die Unvereinbarkeit von Christentum und Antisemitismus hin. 1935 musste Jannasch Lübeck verlassen, da ihm mit weiteren Haftstrafen gedroht wurde, sollte er seine Arbeit als Pastor fortführen.

In Berlin übernahm Jannasch unter anderem das Pfarramt in der Friedenauer Notgemeinde der Bekennenden Kirche, einer der wenigen Orte, an denen zum Christentum konvertierte Juden noch willkommen waren. Von hier aus wurden Hilfen und Unterkünfte für verfolgte Jüdinnen und Juden organisiert. Jannasch erhob mehrfach sein Wort gegen antisemitische und rassistische Maßnahmen, beispielsweise im Falle der geplanten Zwangstrennung von so genannten „Mischehen“. Mit seiner „Denkschrift der 2. Vorläufigen Kirchenleitung“, die er persönlich in die Reichskanzlei brachte, kritisierte Jannasch mit deutlichen Worten die gesellschaftliche Entwicklung im Nationalsozialismus. Die Kirche rief er zu schärferen Protesten gegen die Politik des NS-Staates auf.

2020 wurden Elisabeth und Wilhelm Jannasch in die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechte unter den Völkern“ aufgenommen. Diese Würdigung ist die höchste Ehre, die der Staat Israel nichtjüdischen Personen zuteilwerden lässt. Es handelt sich dabei um Menschen, die an einer sicher bezeugten, konkreten Rettungsaktion für Juden beteiligt waren, dabei ein persönliches Risiko eingingen und hierfür keinerlei Gegenleistung erwarteten.

Pröpstin: "Wichtige Botschaft für unsere Zeit"

„Es berührt mich sehr, wenn nach so langer Zeit immer noch Menschen entdeckt werden, die in dem totalitären System etwas getan haben. Dass Einzelne - wie die Familie Jannasch - den Mut und die Möglichkeit hatten, Menschen Zuflucht zu gewähren, Menschen zu verstecken und ihnen Schutz zu geben und bei der Flucht zu helfen“, sagte Lübecks Pröpstin Petra Kallies. Sie sei dankbar, an Elisabeth und Wilhelm Jannasch erinnern zu können. „Zugleich ist diese Ehrung aber auch eine wichtige Botschaft für unsere Zeit, wie wichtig es ist, einzugreifen mit den persönlichen Möglichkeiten“, so Petra Kallies.

Dank an die Verantwortlichen 

Die Lübecker Pröpstin dankte dem Historiker Hansjörg Buss. Er recherchierte intensiv zur Geschichte des Ehepaars Jannasch und war "treibende Kraft", die Holocaust-Gedenkstätte darum zu bitten, das Ehepaar als „Gerechte unter den Völkern“ in Yad Vashem aufzunehmen. "Mein Dank gilt ausdrücklich Markus Endeß, der die drei Gedenktafeln gestaltet hat, Dr. Karen Meyer-Rebentisch, die die Texte verfasst hat und Beate Glau für ihre ausdrucksvollen Illustrationen", sagte Petra Kallies.  

Pastor Thomas Baltrock war ein weiterer Aspekt besonders wichtig: „Der heutige Kirchengemeinderat und ich als Gemeindepastor, wir sind nicht nur Nachfolger des tapferen und gradlinigen Pastors und seiner Frau, wir sind auch die Rechtsnachfolger der anderen. Und das verpflichtet für die Gegenwart.“

Eine Dokumentation über das Leben und Wirken von Wilhelm und Elisabeth Jannasch gibt es auf einer neuen Internetseite:
www.Jannasch-Gedenken.de

Pröpstin Petra Kallies: "Es berührt mich sehr, wenn nach so langer Zeit immer noch Menschen entdeckt werden, die in dem totalitären System etwas getan haben - so wie die Familie Jannasch."

Drei Gedenktafeln in St. Aegidien zu Lübeck erinnern ab sofort an das Leben und Wirken von Wilhelm und Elisabeth Jannasch.

Pastor Thomas Baltrock: "Wir werden Besuchern unserer Kirche mit den Gedenktafeln dokumentieren, dass die Zeiten damals nicht nur schwarz waren, sondern dass es einzelne Lichtblicke gab.“