Lübeck/Ratzeburg. Am 27. November 2022 ist Wahlsonntag in allen Kirchengemeinden in Lübeck und im Herzogtum Lauenburg. Am 1. Advent entscheidet sich, wer in den kommenden sechs Jahren Verantwortung in den Kirchengemeinderäten übernehmen wird. Ein Interview als Wahlaufruf mit Pröpstin Petra Kallies (Lübeck) und Propst Philip Graffam (Herzogtum Lauenburg).
Lübeck und Lauenburg haben die Wahl
Am 1. Advent ist Kirchenwahl. Warum muss ich da eigentlich hingehen?
Propst Philip Graffam: Mit der Wahl wählen wir Menschen, die bereit sind, sich für die Belange einer Kirchengemeinde und unserer Kirche zu engagieren. Und sie fällen große und wichtige Entscheidungen und tragen dazu bei, dass Kirche vor Ort und in unserer Gesellschaft ihren Raum gewinnt. Mit Ihrer Stimme unterstützen Sie die gewählten Vertreter und zeigen ihnen für ihr Engagement und ihre Bereitschaft große Wertschätzung.
Warum gibt es überhaupt Kirchengemeinderäte - ist das nicht unnütz viel Bürokratie?
Pröpstin Petra Kallies: Nein, denn eine Kirchengemeinde braucht ein legitimiertes Gremium, dass die Belange ordentlich regelt und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Der Kirchengemeinderat verwaltet die Finanzen, ist für alle Mitarbeiter:innen, Einrichtungen wie Kitas oder Friedhöfe und für die inhaltliche Gestaltung der Kommunikation des Evangeliums verantwortlich. Dafür erhält er Unterstützung seitens der Pastor:innen und der Verwaltung im Kirchenkreis. Und das bedarf nun auch leider einer gewissen Bürokratie.
"Es ist eine wichtige Wahl"
Es heißt immer: Kirche hat immer weniger Geld, überall muss gespart werden. Könnte man sich den Aufwand nicht sparen?
Philip Graffam: Die Aufgaben eines KGRs sind vielschichtig und verantwortungsvoll. Dazu braucht es ein gutes Gremium und gute Entscheidungen. Der Aufwand ist angemessen für die Bedeutung dieser wichtigen Wahl und das bringt seine Kosten mit sich. In meinen Augen ist es aber gut angelegtes Geld, denn hier engagieren sich Menschen ehrenamtlich. Dazu braucht es eine große Sorgfalt und Wertschätzung.
Es geht auch um Fachkräftemangel
Was werden denn die großen Herausforderungen sein, mit denen sich die Gemeinden in den nächsten sechs Jahren beschäftigen müssen?
Petra Kallies: Es braucht immer wieder eine neue Einschätzung, wie die Ressourcen und Mittel neu bewertet und verantwortungsvoll eingesetzt werden können. Und es wird uns in Zukunft, wie viele andere auch, die Frage beschäftigen, wie wir mit dem Fachkräftemangel umgehen. Dazu braucht es einen klugen Kopf und viel Herz. Es geht immerhin um unsere Kirche.
Gibt es Dinge, um die Sie sich mit Blick in die Zukunft am meisten Gedanken machen?
Petra Kallies: Schaffen wir es, Kirche so zu gestalten, dass uns der Mangel nicht nach unten zieht, sondern vielmehr wir einen Raum schaffen können, so dass Kirche in Sozialräumen und unterschiedlichen Kontexten gelebt werden kann. Die Kommunikation des Evangeliums ist so vielfältig wie die Gaben derer, die sich in dieser Kirche engagieren. Ich freue mich auf die Wahl.
Mehr Gestaltungsraum für junge Menschen
Was muss Kirche ändern, um auch für junge Menschen wieder interessant zu sein?
Philip Graffam: Unsere Landeskirche hat gerade ein Gesetz hervorbracht, dass die Beteiligung und Mitsprache von jungen Menschen in unseren Kirchenparlamenten - der Landessynode und der Kreissynode - regelt. Konkret: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind in der Nordkirche in allen Belangen, die ihre Lebenswelt in der Kirche betreffen, an der Entscheidungsfindung in angemessener und altersgerechter Form zu beteiligen. Das ist ein sehr guter Anfang. Dies muss nun in den Gemeinden und Orten der Kirche kultiviert und gelebt werden. Ich bin sehr neugierig, ob es den jungen Menschen gelingen wird, Kirche so mitzugestalten, dass ihre Altersgruppe sich in der Kirche wiederfindet.
Wenn Sie könnten, wie Sie wollten: Was würden Sie zu allererst anders machen als bislang?
Philip Graffam: Den Satz „Das war schon immer so!“ aus allen Gremien und Köpfen verbannen.
Was kann Kirche, was niemand anderes kann?
Petra Kallies: Kirche erzählt von der Hoffnung. Nicht, dass alles wie gehabt weitergeht, sondern obwohl vieles in unserer Welt unsicherer geworden ist. Wir erzählen von Gottes unerschütterlichen Liebe, gerade wenn das Leben verrücktspielt.
Philip Graffam: Kirche kann angesichts der aktuellen globalen Transformationsprozesse ein Beispiel für gelebte Solidarität und Vielfalt sein. Sie kann die Einladung aussprechen: Komm, tritt herein. Hier können wir gemeinsam singen.