Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Kann ich so bleiben wie ich bin?

Pröpstin Frauke Eiben Copyright: Guido Kollmeier

„Ecclesia semper reformanda“ – die Kirche ist zur ständigen Erneuerung aufgerufen. Eine Aussage aus der Reformation, die für Lauenburgs Pröpstin Frauke Eiben ein „kräftiger Gedankenanstoß“ im aktuellen Veränderungsprozess der Kirche ist. Ihre Gedanken zum Reformationstag am 31. Oktober.

Eine Werbebotschaft, die zum Reformationstag passt

„Ich will so bleiben wie ich bin“ mit der dazugehörigen Antwort „Du darfst“ funktioniert der seit Jahren erfolgreiche Werbeslogan einer Halbfettmargarine. Immer noch trifft diese Sehnsucht ins Herz. Ich muss nicht abnehmen! Ich muss mich nicht optimieren! Ich bin völlig okay so, wie ich bin. Diese Werbebotschaft passt für mich in doppelter Weise zum Reformationstag.

Kirche ist zur Veränderung aufgerufen

Im Hinblick auf unsere Kirche und unsere Gemeinden gibt es ein ganz klares Votum: Das klappt nicht. Es kann nicht bleiben wie es ist. „Ecclesia semper reformanda“ – die Kirche ist zur ständigen Erneuerung aufgerufen. Dieser Satz der Reformatoren gilt durch alle Jahrhunderte. Keine unserer Strukturen ist heilig, dass wir sie nicht verändern müssten. Im Gegenteil, wenn kirchliche Strukturen sich als Evangelium aufspielen ist etwas falsch.

Martin Luther rebellierte gegen Strukturen

Martin Luther und die anderen Reformatoren haben gegen starre Strukturen, die nicht dem Glauben und den Menschen dienten, rebelliert. In den Augsburger Bekenntnisschriften ist es aus diesem Grund kein Zufall, dass nicht einfach eine neue modernere Struktur eingeführt wurde, sondern nur die wenigen Punkte. auf die es ankommt festgehalten sind: Kirche ist da, wo das Wort Gottes verkündigt wird und die Sakramente  dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden. Punkt. Mehr braucht es nicht. Welche Gebäude es gibt, welche Verwaltungsstrukturen, wie sich Gemeinden organisieren. Nicht wichtig. Die Kommunikation des Evangeliums ist wichtig.

Wie bringen wir das Evangelium in die Welt?

Wie weise, so einen großen Rahmen zu stecken, in dem viele verschiedene Weisen Kirche zu sein möglich sind. Mitten in unserem Veränderungsprozess, der nötig wird, weil wir kleiner werden und uns natürlich die Frage stellen müssen, wie wir das Evangelium 2021 in die Welt bringen, kommt mir der Satz „die Kirche ist zu ständiger Erneuerung gerufen“ wie eine Vision und ein kräftiger Gedankenanstoß vor.

Ich kann die Sehnsucht gut verstehen

Ich spüre bei mir und anderen, dass wir so gern an liebgewordenen Strukturen festhalten. Alles soll am besten bleiben, wie ich es lieb habe. Und ich kann die Sehnsucht so gut verstehen, dass es eine Stimme geben möge, die sagt: Du darfst! Aber so wird es nicht sein. Und so war es nie. Nicht in der Kirche und nicht in der Gesellschaft. Die Gestalt der christlichen Kirche hat sich immer verändert – sonst wäre sie wahrscheinlich nicht seit mehr als 2000 Jahren in der Welt. Wenn ich will das etwas bleibt, dann muss es Entwicklungsraum für die Zukunft geben. Wenn alles bleibt wie es ist, wird es nicht bleiben.

Du bist Gottes geliebtes Kind

Für unsere Kirche stimmt die Sehnsuchtsbotschaft aus der Werbung nicht. Für jeden einzelnen von uns, hat die Botschaft von Gottes Gnade, die Martin Luther in den Mittelpunkt seiner Einsichten gestellt hat, jedoch durchaus einen anderen Klang. In einer Leistungs- und Optimierungsgesellschaft, in der uns ständig vor Augen gehalten wird, wie wir sein sollen, nämlich: gesund, schlank, jung, erfolgreich, up to date, sportlich, engagiert und vieles mehr  macht die Rechtsfertigungsbotschaft das „Du darfst“ stark. Du musst nicht erst etwas besonderes werden, um vor Gott Ansehen zu bekommen. Du bist schon etwas, nämlich Gottes geliebtes Kind. Und selbst, wenn Du alle Punkte auf der To-Do-Liste erfüllst, kommst Du dem Himmelreich auf diese Weise nicht näher. Sei gnädig mit dir, weil Gott es auch ist. Das ist eine wichtige Botschaft der Reformation.

Es ist gut, sich nicht zu sperren

Vielleicht liegt darin die Verbindung: ob als Institution oder einzelner Mensch, keine bleibt für immer wie er oder sie ist. Wir verändern uns. Und dabei ist es gut, sich nicht zu sperren und es ist gut, sich nicht so unter Druck zu setzen, dass das Leben keine Freude mehr macht. Gnädig miteinander sein. Das ist das verbindende. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen wunderbaren Reformationstag.

 

 

Unser Podcast: "Ein feste Burg" als Jazz-Version

Und hier noch etwas Besonderes: Wie wird aus einem bekannten Martin-Luther-Lied ein Jazz-Stück? Eine neue Folge der Podcast-Reihe "Mein Lieblingsstück" führt uns zu den Pop-Kantoren Christoph Liedtke und Nathanael Kläs. Sie spielen ein Arrangement von "Ein feste Burg" und erzählen, was sie bewegt hat und wie sie vorgegangen sind.